Bewegt sich Österreich mit seinen radikalen Asylplänen rechtlich noch auf sicherem Boden?
WALTER OBWEXER: Man bewegt sich mit den Vorschlägen, wonach im Prinzip kein Asylantrag auf EU-Boden gestellt wird, an der Grenze dessen, was die Menschenrechtskonvention, die Genfer Flüchtlingskonvention und die EU-Grundrechtecharta erlauben.

Wenn ein Syrer in der Türkei nicht verfolgt wird, warum soll er in Österreich Asyl erhalten?
Die Menschenrechtskonvention enthält – im Gegensatz zur Aussage vieler Völkerrechtler – kein Recht auf Asyl und erlaubt auch nicht, dass man sich den Staat aussucht, Kern der Konvention ist das Refoulementverbot: Niemand, der aus politischen oder anderen Gründen verfolgt wird, darf dorthin zurückgestellt werden, wo er verfolgt wird. Sobald er sich in einem sicheren Land befindet, hat er aber auch kein Recht, weiterzuziehen. Demzufolge kann die EU sagen, es reicht die Türkei.

Was ist dann das Problem?
Wenn er dennoch weiterzieht und an eine EU-Grenze kommt, ist die Union auf Basis der Grundrechtecharta verpflichtet, den Asylantrag zu prüfen. Es muss also ein Prüfverfahren geben.

Kann die Prüfung auch in einem Verteilzentrum in Tunesien oder Niger stattfinden?
Die EU kann durchaus sagen: Wir nehmen die Prüfung nicht auf unserem Hoheitsgebiet vor, sondern in einem EU-Verteilzentrum. Das geht nur unter zwei Voraussetzung: Steht das Zentrum in einem sicheren Drittstaat? Libyen erfüllt wohl kaum das Kriterium. Stimmt das Land dem Zentrum auch zu?

Kann der Antragsteller, der in Kroatien anklopft, gegen seinen Willen in das Land, wo das Zentrum steht, sagen wir Tunesien oder Niger, ausgeflogen werden?
Das geht nicht, allerdings bekommt er dann auch kein Asylverfahren und müsste in Serbien oder Bosnien bleiben. In dem Verteilzentrum muss allerdings garantiert sein, dass die Prüfung nach den EU-Spielregeln erfolgt und derjenige, der einen positiven Bescheid erhält, in die EU geflogen wird. Das Land darf er sich nicht aussuchen. Rechtlich ist viel möglich, aber ich brauche immer die Zustimmung der Drittstaaten. Das ist wohl der schwierigste Punkt.


Ein effektiver Schutz an der Außengrenze geht nur in Kombination mit fairen Verfahren in Verteilzentren?
Nur die Grenzen abzuschirmen, geht nicht. Und noch was: Wenn jemand im Verteilzentrum Schutz erhält, muss er in die EU gebracht werden. Das geht dann nicht, dass die EU sagt: Tut mir leid, wir haben derzeit keinen Platz.

Ohne Quoten zwischen den EU-Ländern wird es nicht gehen?
Das stimmt. Er werden auch künftig Menschen in der EU Asyl erhalten, allerdings in einem geringeren Ausmaß als bisher.