Nach Bekanntwerden des dramatischen Vorfalls um österreichische UNO-Soldaten auf dem Golan meldete sich nun ein Kamerad der Betroffenen zu Wort, berichten die "Salzburger Nachrichten". "Sie haben zu 100 Prozent korrekt gemäß unserem Auftrag gehandelt", sagt Markus H. den SN. "Die Sprüche auf dem Video sind derbe und nicht korrekt, aber man muss bedenken, die Sprüche stammen von jungen Burschen, die unter Stress stehen." Er nimmt seine Kameraden in Schutz.

Die Soldaten hätten nur auf Befehl gehandelt und der war eindeutig. "Das haben mir die Kameraden nachher noch erzählt. Der Befehl lautete: nicht einmischen." Schließlich hätten sich die Österreicher auf den Golanhöhen neutral verhalten müssen.

H. war Teil der Kompanie, der auch die Soldaten angehörten, die den Hinterhalt geduldet und gefilmt haben sollen - so der Verdacht. "Das Video ist echt und trotzdem läuft in der Diskussion darüber vieles im Moment falsch", erklärt der ehemalige Soldat H.

Laufend neue Details

In der vom "Falter" aufgedeckten Affäre um offenbar von österreichischen Blauhelmen in den Tod geschickte Syrer werden nun laufend neue Details bekannt. Der Trupp der Österreicher stand damals unter dem Kommando des indischen Generals Iqbal Singh Singha, der zwei Jahre später wegen eines Konflikts mit philippinischen UNO-Soldaten ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist.

Der Inder hatte im Juli 2012 das Kommando vom Filipino Natalio Ecarma übernommen. Drei Monate später ereignete sich im Bereich der österreichischen Blauhelme jener folgenschwerer Zwischenfall, der auf nun veröffentlichten Videoaufnahmen zu sehen ist. Die Österreicher beobachteten zunächst die Errichtung eines Hinterhalts und ließen dann syrische Geheimpolizisten ohne Vorwarnung in den sicheren Tod fahren. Der Vorfall wurde damals von der UNO-Mission als Auseinandersetzung zwischen Syrern und "bewaffneten Mitgliedern der Opposition" qualifiziert.

Bereits am Samstag nahm eine Untersuchungskommission des Verteidigungsministeriums ihre Arbeit auf. Dies teilte Ministeriumssprecher Michael Bauer auf Twitter mit. "Als erster Schritt werden alle Meldungen, Befehle, Gesetze und Vorschriften, die für die Klärung relevant sein könnten, gesammelt, gesichtet und ausgewertet", schrieb Bauer. "Die UN werden von uns zur Mitarbeit eingeladen."

Laut Bauer besteht die Kommission aus vier Mitglieder, darunter seien zwei Völkerrechtsexperten: Brigadier Karl Edlinger und der Linzer Völkerrechtler Sigmar Stadlmaier. Die Kommission könne "jederzeit personell vergrößert werden".

"Verstörendes Video"

Auch die Vereinten Nationen werden jetzt aktiv. "Die UNO erwartet von ihren Blauhelmen, dass sie zu aller Zeit die höchsten professionellen und ethischen Standards zeigen und befolgen", sagte ein UNO-Sprecher in New York auf APA-Anfrage. Er sprach von einem "verstörenden Video".

"Wir werden dieser Frage aktiv in Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden nachgehen", betonte der Sprecher der UNO-Friedenssicherungskräfte. Man habe das Video "online über öffentlich zugängliche Quellen" gesehen, sagte er.

Vorfall war bekannt

Der Tod von neun Syrern war dem UNO-Sicherheitsrat seit Ende November 2012 bekannt. "Am 29. September 2012 berichtete UNDOF, dass sie sahen, wie neun syrische Sicherheitskräfte von 13 bewaffneten Männern der Opposition in der Pufferzone getötet wurden, in der Nähe der UNO Position Hermon Süd im Gebiet Mount Hermon", heißt es in einer der APA übermittelten schriftlichen Stellungnahme. Der UNO-Sicherheitsrat sei damals von dem Vorfall informiert worden, und er sei auch "öffentlich im Bericht des UNO-Generalsekretärs vom 30. September 2012 berichtet worden".

Der Sprecher äußerte sich nicht zur Frage, ob die Blauhelme durch UNO-Regeln an einem Einschreiten gehindert waren. Die Friedenstruppen sind zu Zurückhaltung angehalten und dürfen Waffen nur zur Selbstverteidigung einsetzen. Allerdings betonte der Wiener Völkerrechtler Manfred Nowak gegenüber der APA, dass die gebotene Neutralität nur zwischen den Konfliktparteien - in diesem Fall Israel und Syrien - gelte. Die Blauhelme hätten "die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen". Schlimmstenfalls könnte den UNO-Soldaten eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord drohen, weil sie den Syrern "wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben" hätten.

"Des is a Himmelfahrtskommando"

Das Video wurde offenbar von den Blauhelmen selbst angefertigt. Die Kommentare der österreichischen Soldaten aus dem Off lassen darauf schließen, dass den Blauhelmen bewusst gewesen sein dürfte, in welche tödliche Falle die syrischen Polizisten tappen. "Des is a Himmelfahrtskommando", sagt einer der Augenzeugen.

Zunächst ist auf dem Video zu sehen, wie Schmuggler im felsigen Gebiet einen Hinterhalt aufbauen. Laut "Falter" taucht etwa eine Stunde später ein weißer Toyota mit syrischen Geheimpolizisten auf der Ladefläche auf, der den österreichischen Wachposten passieren muss. Die Syrer seien ausgestiegen und hätten mit den Österreichern gesprochen, doch hätten diese sie vorbeigewunken. "Normal musst das de Hund sagen", ist einer der Blauhelme zu hören. Begründung: "Wenn da aner überbleibt, kummt er umma und schießt uns ab."

Generalsekretär empfahl Verlängerung

Der damalige UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte den Vorfall vom November 2012 in seinem halbjährlichen Bericht zu den Aktivitäten der Golan-Mission UNDOF mit einem eigenen Punkt erwähnt. Der Vorfall wird in dem Bericht in den Kontext des syrischen Bürgerkriegs gestellt. So heißt es, dass der Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien "im Großen und Ganzen gewahrt wurde", die syrischen Kräfte aber ihre Aktivitäten in dem Gebiet ausgedehnt und es zu "zahlreichen Zusammenstößen (...) mit bewaffneten Mitgliedern der Opposition in mehreren Dörfern innerhalb der entmilitarisierten Zone gekommen ist".

Dem Vorfall wird ein eigener Absatz (Punkt 6) gewidmet: "Am 29. September sah UNDOF, wie neun syrische Sicherheitskräfte durch 13 bewaffnete Mitglieder der Opposition aus einem Hinterhalt in der Pufferzone getötet wurden, in der Nähe der UNO-Position Hermon South im Gebiet Mount Hermon."

In dem Bericht empfiehlt Ban eine Verlängerung der UNO-Mission um weitere sechs Monate und dankte den Kommandanten sowie dem militärischen und zivilen Personal der Mission für ihr Engagement. Im August 2012 - während der Berichtsperiode - war der Inder Iqbal Singha dem Filipino Natalio Ecarma als UNDOF-Kommandant nachgefolgt. "Ich habe volles Vertrauen, dass UNDOF ihre Mission unter der Führung von General Singha wirksam fortsetzen wird", betonte der UNO-Generalsekretär. "Ich würde bei dieser Gelegenheit gerne meine Wertschätzung für jene Regierungen ausdrücken, die Truppen für UNDOF (...) stellen." Österreich war zu diesem Zeitpunkt größter Truppensteller und als einziges Land seit Anbeginn der Mission im Jahr 1974 dabei.

Vergeltung für Esel

Florian Klenk, Chefredakteur des Falter, hat auf Facebook eine interne Meldung zu dem Einsatz online gestellt. Demnach wollten die Schmuggler Vergeltung für einen toten Esel üben:Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) setzte kurz nach der Veröffentlichung des Videos eine Untersuchungskommission ein. "Ich möchte so schnell wie möglich wissen, was im September 2012 tatsächlich passiert ist. Die Vorfälle werden lückenlos und minutiös aufgeklärt werden", teilte er in einer Aussendung mit. Die Untersuchung "muss bis Ende Mai abgeschlossen sein".

Der Vorfall sei "in dieser Dimension" erst durch die der Wochenzeitung zugespielten Fotos und Videos bekannt geworden, heißt es. Die Kommission werde prüfen, ob gegen die Einsatzregeln verstoßen worden sei und Straftatbestände verwirklicht worden seien. Bei Bedarf werde den betroffenen Soldaten Rechtshilfe angeboten.

Die Fragen, die nun zu klären sind: Haben die Soldaten die syrischen Polizisten auf ihre Beobachtung hingewiesen? Und hätten sie das Verbrechen verhindern können - oder war es ihnen aufgrund ihres Mandats gar nicht erlaubt, einzugreifen?

Beihilfe zum Mord

Schlimmstenfalls könnten die Blauhelme wegen Beihilfe zum Mord belangt werden, sagte der Völkerrechtler Manfred Nowak am Freitag zur APA. "Sie hätten die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen." Stattdessen hätten die Blauhelme den syrischen Polizisten, die von sich aus stehen geblieben seien und nachgefragt hätten, "wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben". Dies habe dazu geführt, dass sie in den Hinterhalt gefahren seien. Nowak verwies zudem auf Berichte, dass die UNO-Soldaten vorher Kontakt mit den Kriminellen gehabt und ihnen auch Wasser gegeben hätten. "Sie waren nicht neutral. Sie haben der einen Seite Rückendeckung gegeben", folgerte der Wiener Universitätsprofessor.

Dass die Blauhelme nach syrischem Recht belangt werden können, glaube er nicht, sagte Nowak auf eine entsprechende Frage. Der Vorfall habe sich nämlich in der entmilitarisierten Zone zugetragen. Allerdings komme das österreichische Strafrecht zum Tragen.

Darabos: "Nichts gewusst"

Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) hatte keine Kenntnis von dem Vorfall mit neun toten Syrern auf dem Golan, der sich während seiner Amtszeit im Jahr 2012 zugetragen hat. "Ich bin in Kenntnis gesetzt worden vom ORF-Teletext", sagte Darabos am Freitagnachmittag der APA mit Blick auf die aktuellen Medienberichte. "An mich als Minister ist so ein Vorfall nie herangetragen worden."

Darabos wies darauf hin, dass er damals selbstverständlich eingeschritten wäre. "Es sind in mehreren Fällen, wo es um kleinere Geschichten gegangen ist, die Leute sofort repatriiert worden", sagte der langjährige Verteidigungsminister (2006-13). Sollten sich die Vorwürfe erhärten, sei er dafür, die Betroffenen aus dem Bundesheer zu werfen. Verwundert zeigte sich der burgenländische Soziallandesrat, dass das Video mehrere Jahre nach dem Vorfall bekannt geworden sei. Er hatte jüngst scharfe Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen des "Drüberfahrens" beim Thema Mindestsicherung geübt.

Auf die Frage nach dem im Juni 2013 verkündeten Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan sagte Darabos, er schließe "für mich" einen Zusammenhang mit dem Vorfall aus. "Ich hätte es nicht gemacht", distanzierte er sich von der unter seinem Nachfolger Gerald Klug (SPÖ) verkündeten Entscheidung.

Nicht ausschließen wollte Darabos, dass die österreichischen Blauhelme besondere Kontakte mit den Schmugglern gehabt haben könnten, in deren Hinterhalt die syrischen Polizisten gefahren seien. "Das könnte so sein", sagte der SPÖ-Politiker. Bei seinen Besuchen auf dem Golan habe er nichts davon gemerkt, aber solche Dinge werde man dem Minister kaum erzählen.

Die Mission am Golan sei "einer der renommiertesten Einsatze des Bundesheeres gewesen", sagte Darabos. Der nun bekannt gewordene Vorfall "ist nicht ein Ruhmesblatt". Man dürfe sich aber die jahrzehntelange gute Arbeit nicht durch "Einzelpersonen" zerstören lassen. "Ich hoffe, dass die Reputation nicht unter diesem Einzelfall leidet", sagte der frühere SPÖ-Minister.

Damaliger indischer UNO-Kommandant umstritten

Der folgenschwere Vorfall mit österreichischen Blauhelmen am Golan hat sich unter dem Kommando des indischen Generals Iqbal Singh Singha ereignet, der zwei Jahre später wegen eines Konflikts mit philippinischen UNO-Soldaten ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist. Diese hatten nämlich im August 2014 einen Befehl Singhas missachtet, sich syrischen Rebellen beim Grenzposten Quneitra zu ergeben.

Wie die indische Zeitung "The Telegraph" damals berichtete, seien die philippinischen UNO-Soldaten in Panik geraten, weil zuvor über 40 Blauhelme aus Fidschi von Kämpfern der syrischen Al-Nusra-Front als Geiseln genommen worden waren. Die Filipinos widersetzten sich daher dem Befehl des indischen Kommandanten, gegenüber den heranstürmenden Rebellen die Waffen niederzulegen. Stattdessen lieferten sie sich mehrstündige Gefechte mit den Rebellen und flohen in Richtung Israel, indem sie einen Grenzzaun durchschnitten.

Singha warf den philippinischen UNO-Soldaten vor, mit ihrem Vorgehen das Leben von Blauhelmen gefährdet zu haben. Sie hätten sich "undiszipliniert" und "ungehorsam" verhalten und seien "in Panik verfallen", berichtete er der New Yorker UNO-Zentrale. Mit ihrem Vorgehen hätten sie auch die Bemühungen konterkariert, die festgehaltenen Blauhelme aus Fidschi freizubekommen. Singha hatte sich zuvor zuversichtlich gezeigt, ihre Freilassung zu erwirken. Schließlich sei ihm das zuvor schon vier Mal gelungen, schrieb die Zeitung. Tatsächlich wurden sie dann im September freigelassen.

Der Inder hatte im Juli 2012 das Kommando vom Filipino Natalio Ecarma übernommen. Drei Monate später ereignete sich im Bereich der österreichischen Blauhelme ein folgenschwerer Zwischenfall. Diese beobachteten zunächst die Errichtung eines Hinterhalts und ließen dann syrische Geheimpolizisten ohne Vorwarnung in den sicheren Tod fahren, wie ein am Freitag veröffentlichtes Video zeigte. Der Vorfall wurde damals von der UNO-Mission als Auseinandersetzung zwischen Syrern und "bewaffneten Mitgliedern der Opposition" qualifiziert.