Das Jahr 2025 hat die Türkei und die EU enger zusammengebracht. Aufgeschreckt durch die Absage der USA an die traditionelle transatlantische Verbundenheit, besann sich Europa auf die Potenziale der Türkei als Regional- und Militärmacht. „An einer guten und vertieften Partnerschaft mit der Türkei“ führe kein Weg vorbei, sagte der deutsche Kanzler Friedrich Merz im Oktober in Ankara. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hofft auf eine Beteiligung an milliardenschweren EU-Rüstungsprogrammen und bessere Handelsbedingungen. Doch im neuen Jahr warten mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Zypern neue Stolpersteine, in den ersten sechs Monaten dürfte die Zusammenarbeit stocken.
Das liegt am ungelösten Zypern-Problem, einem chronischen Konfliktherd zwischen der Türkei und Europa. Zypern ist seit 1974 in einen griechischen und einen türkischen Sektor gespalten. Ankara erkennt die zur EU gehörende griechische Inselrepublik nicht an und fordert, vor einer Normalisierung müsse es Verbesserungen für den international isolierten türkischen Inselteil geben. Das lehnt Nikosia ab. Schon bei der letzten zyprischen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2012 boykottierte die Türkei deshalb viele Kontakte mit Brüssel.
„Erklärung der Nicht-Zusammenarbeit“?
Diesmal könne es ähnlich laufen, heißt es bei europäischen Diplomaten. Sie warten gespannt darauf, ob Ankara mit einer offiziellen „Erklärung der Nicht-Zusammenarbeit“ im ersten Halbjahr neuerlich auf stur schaltet. Die Türkei hat heute aber ein ganz anderes politisches Gewicht als im Jahr 2012. Das Land tritt als Vermittler im Ukraine-Krieg und in der Gaza-Krise auf, verkauft Kampfdrohnen in alle Welt und wird von US-Präsident Donald Trump als „fantastischer“ Partner gelobt.
Erdoğan wird deshalb nicht auf die griechischen Zyprer zugehen – sein rechtsgerichteter Bündnispartner im türkischen Parlament, Devlet Bahçeli, forderte vor einigen Wochen sogar die Annexion des türkischen Inselteils. Auch die Regierung in Nikosia dürfte nicht kompromissbereit sein. Sie steht wenige Monate vor den zyprischen Parlamentswahlen im Mai unter dem Druck rechtsgerichteter und populistischer Parteien, die in den Umfragen zulegen.
„Die Türkei hat bereits erkennen lassen, dass sie im ersten Halbjahr keinen offiziellen Kommunikationskanal mit der EU-Ratspräsidentschaft unterhalten wird“, sagt Ebru Turhan, Professorin und Europa-Expertin an der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul. Das wird die Kontakte zwischen Ankara und Brüssel erschweren. Zudem dürfte der Einfluss der Türkei in Brüssel sinken. Schließlich spielten die Ratspräsidentschaften „eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Prioritäten der EU – insbesondere in außen- und sicherheitspolitischen Prozessen“, sagte Turhan zur Kleinen Zeitung.
Türkei will bei Gasförderung mitreden
Zypern will sich nach Regierungsangaben während seiner Präsidentschaft darauf konzentrieren, die europäische Wettbewerbs- und Verteidigungsfähigkeit zu verbessern und die Migration besser zu steuern. Für 2027 plant die Regierung in Nikosia den Beginn von Gasexporten nach Europa. Auch dabei zeichnet sich Streit mit der Türkei ab, die eine Mitsprache des türkischen Inselteils bei der Gasförderung fordert.
Bedenken zu Rüstungsbeteiligungen
Probleme gibt es zwischen Ankara und Brüssel aber auch ohne den Zypern-Konflikt genug. Die Türkei fordert mehr Reisefreiheit für ihre Bürger, doch die EU verlangt als Vorbedingung eine Reform der drakonischen türkischen Anti-Terrorgesetze. Europa will auch wissen, warum so viele Türken mit Sonderpässen für visafreies Reisen ausgestattet werden, die eigentlich nur für hohe Beamte gedacht sind. Erdoğan will dagegen durchsetzen, dass das europäische Rüstungsprogramm SAFE mit einem Volumen von 150 Milliarden Euro für Unternehmen der starken türkischen Waffenindustrie geöffnet wird. Deutschland gehört in der EU zu den stärksten Unterstützern des türkischen Wunsches. Aber nicht nur Zypern stemmt sich gegen eine türkische Beteiligung; auch Griechenland und Frankreich haben Bedenken.