Frauke Wer?“ hätten 98 Prozent der Deutschen bis vergangenen Freitag gefragt. Seitdem kennt die Republik den Namen der 54 Jahre alten Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Verfassungsrecht an der Universität Potsdam.

Denn an Vorbehalten gegen Frauke Brosius-Gersdorf, deren Positionen zu Schwangerschaftsabbruch, Kopftuch im öffentlichen Dienst und Impfpflicht Polarisierungspotenzial haben, scheiterte im Bundestag kürzlich die lang geplante Wahl von drei neuen Richterinnen und Richtern am Bundesverfassungsgericht. Ein Debakel für alle Beteiligten.

Auftritt bei Lanz

Erst nach vier Tagen meldet sich Brosius-Gersdorf selbst zu Wort. Morgens schriftlich über ihre Anwaltskanzlei – abends dann im TV, wo sie Markus Lanz knapp eine Stunde antwortet. In diesem Gespräch wird sie von Drohungen berichten, auch gegen ihre Familie.

Front gegen sie

Die unbestrittenen Fakten: Anders als von CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn vor Wochen zugesagt, wollen etliche Unionisten die von der SPD nominierte Brosius-Gersdorf nicht wählen. Ihr Hauptargument gegen die Professorin: deren Position zum Abbruch von Schwangerschaften. Die stößt auf Widerspruch, nicht zuletzt der Katholischen Kirche. Aktuell protestieren mehrere Erzbischöfe, der Kölner Rainer Maria Woelki erklärt, die Unantastbarkeit der Menschenwürde gelte „von der Empfängnis an bis zum natürlichen Lebensende“.

Brosius-Gersdorf sieht das anders; das hat sie immer wieder explizit schriftlich und mündlich dokumentiert, auch im Bundestag: Im Februar im Rechtsausschuss, wo sie als Sachverständige geladen war zu einer Reform des § 218, der bislang Abbrüche rechtswidrig stellt, aber in der Frühphase unter Bedingungen straffrei. Sie ist für die Legalisierung in dieser frühen Phase. Und sie thematisiert immer wieder ein verfassungsrechtlich ungelöstes Dilemma. Wenn der Embryo ab Einnistung in der Gebärmutter dieselbe Menschenwürdegarantie hat wie der Mensch nach der Geburt, und wenn, nach vorherrschender Rechtsmeinung, die eine Menschenwürde gegen die andere nicht abgewogen werden kann und darf: Dann, sagt Brosius-Gersdorf bei Lanz, sei der Abbruch „zu keinem Zeitpunkt zu rechtfertigen“; selbst dann nicht, wenn die Schwangerschaft Gesundheit oder Leben der Frau gefährde.

Juristisch ist das ein „Güterkonflikt“. Und im Ausschuss erklärte Brosius-Gersdorf nicht nur ihn, sondern auch ihre persönliche Position: „Meines Erachtens gibt es gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“ In den Tagen vor der Wahl im Bundestag wurden daraus in Sozialen Netzwerken Posts wie: „Nach Frau Brosius-Gersdorfs Ansicht könnte man Kinder bis zur Geburt töten.“ „Falsch!“, sei das, betont Brosius-Gersdorf bei Lanz. Und sagt, ihr gehe es um „einen Debattenbeitrag“ .