Wenn Donald Trump wirklich gedacht hatte, die Chinesen würden seine erneute Zollrunde einfach im Raum stehen lassen, dann hat er den Ein-Parteien-Staat ganz offensichtlich nicht verstanden. Längst handelt die kommunistische Parteiführung frei nach dem biblischen Prinzip: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Am Mittwoch leitete das Handelsministerium Peking folgerichtig die nächste Eskalationsstufe ein: So werden die zunächst auf 34 Prozent angesetzten Zölle auf alle US-Produkte um weitere 50 Prozent erhöht. Trump hat daraufhin die Importzölle auf 125 Prozent angehoben. Zudem wurde völlig überraschend eine Zoll-Pause ausgerufen - die aber nicht für China gilt.
China hat wiederum sechs weitere US-Unternehmen auf Chinas „schwarze Liste“ gesetzt, was das Geschäftemachen im Reich der Mitte de facto unmöglich macht. „Wir haben dies genau eingeschätzt und sind darauf vorbereitet, mit unsicheren Faktoren umzugehen“, sagte Premier Li Qiang. „Die Entwicklung unseres Landes ist immer durch die Überwindung von Schwierigkeiten und Herausforderungen vorangekommen“.
Die „South China Morning Post“ hat die Lage in einer Überschrift in anderer Form auf den Punkt gebracht: „China hat Druckmittel für weitere Vergeltungsmaßnahmen und nichts mehr zu verlieren“. Tatsächlich kann man die letzte Zollrunde des US-Präsidenten gegen China fast schon als symbolisch bezeichnen. Denn dass es nun insgesamt 125 statt 54 Prozent sind, ist schlussendlich auch schon egal. Angesichts der geringen Gewinnmargen, mit denen die meisten chinesischen Exportunternehmen operieren, dürfte der bilaterale Handel mit den USA schon jetzt weitgehend zum Erliegen kommen.
Export als zentrale Stütze des Wachstums
Mit seinem Zoll-Regime hat Donald Trump den Chinesen damit ausgerechnet jenen Pfeiler ihrer Volkswirtschaft vom Boden gerissen, der nach wie vor blendend lief: Im letzten Jahr generierte China ein Drittel seines Wachstums über seine Exporte.
Mit einer regelrechten Charme-Offensive versucht Peking nun die Europäer zu umgarnen, um ihre hochsubventionierten Produkte abladen zu können. Doch die EU wäre gut darin beraten, sich den chinesischen Überkapazitäten zumindest teilweise zu verschließen. Andernfalls würden mehrere Kernindustrien in Windeseile durch die chinesische Konkurrenz dezimiert werden. Vor allem Deutschland träfe dies besonders hart.
Die 1,4 Milliarden Chinesen stehen also vor einer schweren Zukunft. „Xi Jinping ist jedoch der Ansicht, dass China in diesem Wettbewerb einen strategischen Vorteil hat“, argumentiert der ehemalige Immobilienentwickler Desmond Shum, der mittlerweile als scharfer Peking-Kritiker im britischen Exil lebt: „Aus seiner Sicht fehlt es den Vereinigten Staaten, die durch ihr demokratisches System eingeschränkt sind, an politischem Willen und Durchhaltevermögen, um ihren Bürgern anhaltende wirtschaftliche Härten aufzuerlegen.“
In der Pandemie demonstrierte China seine Leidensfähigkeit
Die Chinesen hingegen sind sehr gut darin erprobt, den Gürtel enger zu schnallen und die Widrigkeiten des Lebens fatalistisch hinzunehmen. Bewiesen hat dies zuletzt die rigide „Null Covid“-Politik, während der gegen Ende der Pandemie Millionenstädte über Monate hinweg vollständig abgeriegelt wurden. Erst nach immensen Schmerzen für die Wirtschaft hat sich zaghafter Widerstand geregt – natürlich auch, weil Peking über einen der umfassendsten Überwachungsapparate der Welt verfügt. Diesmal jedoch wurde die missliche Lage nicht durch die eigene Parteiführung eingebrockt, sondern vom Erzfeind USA. Das schweißt nochmal doppelt zusammen.
China selbst kann zudem die Eskalationsschraube noch um mehrere Runden weiterdrehen. Bei seltenen Erden etwa, die zu einem Großteil in der Volksrepublik geschürft und zu einem noch größeren Teil dort weiterverarbeitet werden, hätte Peking noch Spielraum für verschärfte Exportbeschränkungen.
Weitere Maßnahmen, welche von der Parteiführung angeblich erwogen werden, hat die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bereits unter Berufung auf Regierungskreise in den Raum gestellt: ein Verbot von Hollywood-Filmen auf dem chinesischen Markt, der bekanntlich der größte weltweit ist. Oder ein Kooperationsstopp im Bereich Fentanyl; also jener Droge, die um ein Vielfaches potenter ist als Heroin – und jährlich knapp 100.000 Menschenleben in den USA fordert. Ein erheblicher Teil der chemischen Vorprodukte für Fentanyl stammen aus chinesischen Laboren.
Sollte China die giftigen Stoffe also künftig ungehemmt in die USA liefern, dann würde der Handelskrieg schon bald um eine geradezu historische Komponente erweitert: Dann nämlich würden die zwei führenden Weltmächte einen Opiumkrieg 2.0 erleben - nur unter umgekehrten Vorzeichen.