Bei der Parlamentswahl in Frankreich hat nach Berichten belgischer Medien der rechte und europaskeptische Rassemblement National (RN) die absolute Mehrheit im Parlament voraussichtlich verpasst. Das meldeten der belgische Sender RTBF und die Zeitung „La Libre“ am Sonntagabend unter Berufung auf nicht näher benannte Wählerbefragungen. Nach französischem Recht dürfen solche Befragungen erst mit Schließung der Wahllokale um 20.00 Uhr veröffentlicht werden.

Höchste Wahlbeteiligung am Nachmittag

Bei der Parlamentswahl in Frankreich hat sich am Nachmittag die höchste Wahlbeteiligung seit über vier Jahrzehnten abgezeichnet. Um 17.00 Uhr lag die Wahlbeteiligung bei der zweiten Runde der Parlamentswahl bei 59,71 Prozent, wie das Innenministerium am Sonntag in Paris mitteilte. Dies ist die höchste Wahlbeteiligung seit der Parlamentswahl von 1981, die auf die Wahl des Sozialisten François Mitterrand zum Präsidenten folgte. In der ersten Runde der Parlamentswahl vor einer Woche hatte die Wahlbeteiligung um 17.00 Uhr bei 59,39 Prozent gelegen und damit auch sehr hoch.

Der Wahlkampf war durch eine starke Polarisierung zwischen dem rechtspopulistischen Lager und dem linksgerichteten Lager geprägt, das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron lag hinter den beiden Seiten zurück. Die Rechtspopulisten von Marine Le Pen hatten die erste Runde der vorgezogenen Parlamentswahl klar gewonnen. Es ging vielen Wählern in der zweiten Runde darum, eine absolute Mehrheit der Rechtspopulisten in der Nationalversammlung zu verhindern.

Die abschließende Wahlbeteiligung in der zweiten Runde könnte mehreren Umfrageinstituten zufolge bei 67 bis 67,5 Prozent liegen - nach 66,7 Prozent in der ersten Runde. Das wäre eine Rekordzahl seit den vorgezogenen Parlamentswahlen von 1997. Mit ersten Hochrechnungen wird am Abend gegen 20.00 Uhr gerechnet.

Der Ausgang der Stichwahl in Frankreich, die bereits gestern in den entlegenen französischen Inselstaaten wie in Saint-Pierre und Miquelon vor der Ostküste Kanadas und danach in den Karibikgebieten Saint-Barthélemy, Saint-Martin, Guadeloupe, Martinique und Guyana sowie in Französisch-Polynesien begonnen hat, bleibt bis zuletzt offen. Bei der Wahl könnte die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) gewinnen, die in der ersten Runde stärkste Kraft geworden war. Ob der RN die absolute Mehrheit erreichen wird, gilt jedoch als ungewiss. Mit ersten Hochrechnungen wird am Abend gegen 20.00 Uhr gerechnet.

In Wahlumfragen sackt rechtsnationale Partei ab

In neuen Wahlumfragen vor der heutigen entscheidenden Runde sackt die in Führung liegende rechtsnationale Partei von Marine Le Pen weiter ab. Eine Umfrage des Instituts Ipsos sieht das Rassemblement National (RN) und seine Verbündeten nur noch bei 175 bis 205 Sitzen im Parlament. Für eine absolute Mehrheit wären 289 Sitze nötig. Eine Umfrage des Instituts Harris Interactive sah die Rechtsnationalen samt Verbündeten bei 185 bis 215 Sitzen.

Das neue Linksbündnis landet nach der Ipsos-Befragung mit 145 bis 175 Plätzen auf Platz zwei, gefolgt vom Präsidentenlager mit 118 bis 148 Sitzen auf Rang drei. Der gemäßigte Flügel der bürgerlich-konservativen Républicains, der sich der von Parteichef Éric Ciotti vereinbarten Kooperation mit dem RN nicht anschloss, kommt auf 57 bis 67 Sitze. Nach den Daten von Harris Interactive könnte das Linksbündnis auf 168 bis 198 Sitze kommen, vor dem Regierungslager mit 115 bis 145 Sitzen. Die gemäßigten Républicains kommen nach dieser Befragung auf 32 bis 63 Sitze. Mit diesen Umfragewerten ergäbe sich zumindest rechnerisch eine Aussicht auf eine relative Mehrheit für ein Lager oder Bündnis auch jenseits des Rassemblement National, doch hatten die Linkspartei und das Präsidentenlager eine Koalition vor der Wahl ausgeschlossen. Denkbar wäre allerdings nach den Ipsos-Zahlen eine Zusammenarbeit des Mitte-Lagers von Präsident Emmanuel Macron mit Sozialisten und Grünen. In einer Analyse stufte das Institut die Aussicht auf so ein Regierungsbündnis aber bereits als gering ein.

Drei Blöcke führen zur politischen Krise

Nach den Daten von Harris Interactive wäre es allerdings auch denkbar, dass das neue Linksbündnis aus Grünen, Kommunisten, Sozialisten und Linkspartei das RN übertrumpft und stärkste Kraft in der Nationalversammlung wird. Von einer absoluten Mehrheit und einer Möglichkeit zum ungestörten Regieren wäre aber auch das Linksbündnis weit entfernt. Drei Blöcke in der Nationalversammlung würden aber aller Voraussicht nach die Regierung lähmen und das Land in eine politische Krise stürzen.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte nach der Schlappe seiner Mitte-Kräfte und dem haushohen Sieg der Rechtsnationalen bei der Europawahl überraschend die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen angekündigt. Um seinen eigenen Posten geht es dabei nicht, doch ist er in wesentlichen Dingen auf die Nationalversammlung angewiesen.