Die Regierung hat ihren bereits bekannten Plan, einen unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt einzurichten, am Mittwoch im Ministerrat formal festgeschrieben. Auf die konkrete Ausgestaltung haben sich ÖVP und Grüne freilich noch nicht geeinigt. Und auch ein Zeitplan, bis wann die Reform stehen soll, fehlt noch. SPÖ und NEOS schießen sich indessen auf Pläne der ÖVP ein, Zitate aus Ermittlungsakten zu verbieten und die Auswertung von Kommunikation zu erschweren.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), zuständig für Verfassungsfragen: "Wir haben uns auf die Einführung eines unabhängigen, weisungsfreien Bundesstaatsanwalts geeinigt."

Zur Ausarbeitung der geplanten Bundesstaatsanwaltschaft sollen "die relevanten Stakeholder eingebunden werden", heißt es im der APA vorliegenden Ministerratsvortrag. Zu klären seien unter anderem noch der Ernennungsmodus, die Dauer der Bestellung und die Frage der Organisationsstruktur.

Das Glücksspiel wird indes aus dem Finanzministerium herausgelöst. Auch hier sind die Details noch nicht klar, aber es soll ebenfalls "eine unabhängige und weisungsfreie Behörde" sein, die künftig das Glücksspiel überwacht. Kogler nannte als die Eckpunkte der neuen Regelung

  • den wesentlich stärkeren Schutz der Spieler
  • den Kampf gegen das illegale Glücksspiel
  • und die Entflechtung von Politik und Glückspielkonzernen.

Verfahren ohne Druck

Vizekanzler und Interims-Justizminister Werner Kogler und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler zählten im Pressefoyer nach der Regierungssitzung vornehmlich auf, welche Punkte noch zu klären seien. "Die Details werden noch verhandelt", erklärte Kogler. Die Ernennung solle jedenfalls am Schluss formal der Bundespräsident durchführen - "die Verfahren dorthin sind noch offen".

Einen Zeitpunkt, bis wann man fertig sein will, wollte Kogler auf Nachfrage nicht nennen - man wolle aber möglichst viele Beteiligte anhören, und dies werde wohl auch Zeit in Anspruch nehmen. Gespräche mit Staatsanwälten und Richtern habe er schon begonnen, auch Best-Practice-Analysen seien bereits in Auftrag gegeben worden. Ziel der Reform sei es, das Vertrauen der Bevölkerung in die unabhängige Justiz zu stärken.

"Ermittlungsverfahren sollen unabhängig und ohne öffentlichen oder politischen Druck geführt werden können. Dabei gilt es ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, die Pressefreiheit zu schützen und gleichzeitig mediale Vorverurteilung zu vermeiden", so der Text des Ministerratsvortrages.

"Überschießende Kommunikation"

Bei der Vermeidung von Vorverurteilung dürfte seitens der ÖVP der im "Kurier" berichtete Plan gemeint sein, Berichterstattung über Ermittlungsverfahren zu erschweren. Derzeit dürfen Anwälte Ermittlungsakten weitergeben, Medien dürfen (unter Einhaltung des Medienrechts) daraus zitieren. Letzteres will die ÖVP laut "Kurier" nun verbieten. Außerdem will sie den Ermittlern die "überschießende Auswertung" von Kommunikation untersagen.

Als Beispiel genannt wird, dass bei Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann Gehaltspläne gefunden und in weiterer Folge an den Untersuchungsausschuss übermittelt worden seien. Außerdem soll es ein Verbot der Veröffentlichung von Ermittlungsakten nach deutschem Vorbild geben. Damit könnten Medien bestraft werden, wenn sie direkt aus Ermittlungsakten zitieren.

Es müsse im Sinn eines fairen Verfahrens Ziel einer unabhängigen Justiz sein, dass bei einem nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren alles getan werden müsse, Leaks in den Medien zu vermeiden, erklärte Edtstadler. Kogler äußerte sich zu diesem Punkt zurückhaltend: Es gehe um die Abwägung der Beschuldigtenrechte und der Aufrechterhaltung der Pressefreiheit.

"Nur Blümel-Schutzprogramm"

Scharfe Kritik an den Plänen der ÖVP kam am Mittwoch von SPÖ und NEOS: Das sei keine Justizreform, sondern ein "Blümel-Schutzprogramm", kritisierte SP-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Er hält das ÖVP-Vorgehen für "brandgefährlich und demokratiegefährdend" sowie für einen Angriff auf die Pressefreiheit. Auch die NEOS lehnen einen "Medien-Maulkorb" ab: "Medien sind die Vierte Gewalt im Land. Ihre Arbeit darf keinesfalls behindert, eingeschränkt oder unter Strafe gestellt werden - schon gar nicht durch die Politik", so Justizsprecher Johannes Margreiter und Mediensprecherin Henrike Brandstötter in einer Aussendung.

Zum Bundesstaatsanwalt heißt es im Ministerratsvortrag, dass staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren "unter Wahrung der Qualität und Sorgfalt beschleunigt werden" sollen, während gleichzeitig die Beschuldigtenrechte des Einzelnen gewahrt und gestärkt sowie negative wirtschaftliche Folgen eines Ermittlungsverfahrens hintangehalten werden sollen.

Analog zum Rechnungshof

Die Dauer der Funktion werde eine gewisse Länge haben müssen, um Unabhängigkeit zu gewährleisten, nannte Kogler als Beispiel den Rechnungshof. Dessen Präsidentin wird auf Vorschlag des Hauptausschusses im Parlament für eine zwölfjährige Funktionsperiode gewählt. Kogler sicherte auch eine parlamentarische Kontrolle zu, wobei sich das Parlament aber nicht in laufende Verfahren einmischen könne. Edtstadler wiederum bekräftigte ihren Wunsch, die Rolle der Richter im Ermittlungsverfahren zu stärken.

Nicht wirklich beantwortet wurde von Kogler die Frage, was er vom Brief von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die WKStA hält. Kurz hatte im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen seinen Parteikollegen und Vertrauten, Finanzminister Gernot Blümel, seine Zeugenaussage angeboten, und dabei auch von "fehlerhaften Fakten" geschrieben. "Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt genau so, wie sie es für richtig hält", betonte Kogler.

Kurz habe sich einerseits als Zeuge angeboten habe, das sei "sein Recht". Zweitens habe Kurz "Begründungen mitgeliefert", bei denen "zumindest in einem Punkt" ein "offenkundiger Disput" mit der Staatsanwaltschaft und auch der zuständigen Sektion im Justizministerium vorliege, erinnerte Kogler an die Klarstellung des Ressorts, dass der viel diskutierte Kalendereintrag "Kurz" nicht ausschlaggebend für die Hausdurchsuchung beim Finanzminister war. Die Staatsanwälte würden den Vorwurf der "fehlerhaften Fakten" wohl "entschieden zurückweisen", meinte Kogler. Das Ermittlungsverfahren solle so schnell wie möglich fertig sein und er sei sehr zuversichtlich, dass dies gelinge.

Kritik gibt es nach wie vor am Umgang der ÖVP mit der WKStA. Auch in der "Aktuellen Stunde" im Parlament wurde darüber heftig debattiert.

Digitaler Führerschein

Die Bundesregierung beschloss im heutigen Ministerrat auch, den Digitalisierungsfonds in der Höhe von 160 Millionen Euro, mit dem das e-Government ausgebaut werden soll. Das Geld (jeweils 80 Mio. in den Jahren 2021 und 2022) fließt in eine umfassende digitale Verwaltungsreform, die Hälfte in die sogenannte "IT-Konsolidierung", die andere Hälfte in ressortübergreifende Digitalisierungsprojekte mit Fokus auf den Ausbau der Bürger- und Unternehmensservices, zum Beispiel in den digitalen Führerschein.

Die konkreten Projektvorschläge zum Digitalisierungsfonds werden von den Fachressorts eingebracht. Diese Vorschläge werden von der "Task Force Digitalisierung 2022" bewertet und ausgewählt. Der Bundeskanzler, der Vizekanzler, der Finanzminister sowie die Wirtschaftsministerin entsenden je einen Vertreter in diese Task Force.

Die Task Force hat bereits getagt und erste Projekte ausgewählt. Diese sind etwa der digitale Führerschein, die Weiterentwicklung von oesterreich.gv.at oder der Ausbau des Unternehmensserviceportals.

Mit der IT-Konsolidierung soll wiederum der Wildwuchs historisch gewachsener IT-Systeme und Organisationsstrukturen im Bund vereinheitlicht und kosteneffizienter gemacht werden.

"Unser Ziel ist es, die Verwaltung Österreichs innovativer, serviceorientierter und bürgernäher zu gestalten. Dafür dürfen wir nicht nur innerhalb der einzelnen Ministerien denken, sondern müssen ressortübergreifend an Verbesserungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung arbeiten. Mit dem Digitalisierungsfonds stehen 160 Millionen Euro für eine Verwaltung mit zeitgemäßer digitaler Infrastruktur zur Verfügung", sagt dazu Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck (ÖVP).