Das Grundproblem lässt sich nicht so einfach lösen: Die EU hat im Gesundheitswesen und unter gegebenen Corona-Umständen auch beim Einreiserecht der Mitgliedsstaaten so gut wie keine Kompetenzen. Was immer aus Brüssel kommt, ist eine Empfehlung und es steht den Ländern frei, sich daran zu halten – oder auch nicht.

Die Folge ist ein sich permanent änderndes Wirrwarr an Reisebestimmungen und dass auch die Maßnahmen in den Ländern, oft auch in einzelnen Regionen, sehr unterschiedlich ausfallen. Zumindest was das Reisen betrifft, macht die deutsche Ratspräsidentschaft nun Druck. Heute werden, wie berichtet, einheitliche Regelungen auf Ebene der EU-Botschafter beraten, noch im Lauf der Woche will die EU-Kommission ihr Versprechen einlösen, einen neuen Leitfaden herauszugeben. Drei Hauptpunkte sollen auf diese Weise geregelt werden: gemeinsame Kriterien für epidemiologische Risiken, ein einheitliches Farbcodierungssystem für Risikogebiete und eine gemeinsame Herangehensweise für Einreisende aus Risikogebieten wie Test- oder Quarantänevorgaben.

Derzeit herrschen unterschiedliche Zugänge zu den ausschlaggebenden Kriterien und den Daten, auf denen Entscheidungen basieren. So reagieren die Länder etwa unterschiedlich auf die gemessene Zahl der Erkrankungen. Und es herrscht immer wieder aufs Neue eine Art „Vergeltungspolitik“ – setzt ein Land ein anderes auf die rote Liste, kommt mitunter bald darauf die Retourkutsche.

"Es ist wichtig, dass Menschen, die etwa aus familiären oder beruflichen Gründen reisen müssen, sich europaweit auf verständliche Regeln einstellen können. Bisher ist Europa besser durch die Pandemie gekommen als alle anderen Teile der Welt. Damit das so bleibt, müssen die Ampelsysteme und Regeln aufeinander abgestimmt sein", sagt etwa Lukas Mandl, Sicherheitssprecher der ÖVP im Europaparlament: "Die verschiedenen Ampelfarben müssen in den verschiedenen Mitgliedsstaaten ähnliche Bedeutung haben. Sonst haben wir Chaos."

Was im Reiseverkehr nämlich immerhin noch durchschaubar ist, wird bei den Corona-Maßnahmen in jedem einzelnen Land aber vollends unübersichtlich. Für Reisende empfiehlt sich, sich laufend im Gastland selbst über die Regeln zu informieren. Wir haben ein paar Beispiele gesammelt (und jeden Augenblick kann alles wieder anders sein):

Frankreich

In Frankreich gingen die Zahlen ebenfalls signifikant nach oben. In vielen Städten wie Paris oder Toulouse gibt es Maskenpflicht auch im Freien. Besucherzahlen bei den Sehenswürdigkeiten sind begrenzt und können fast überall nur vorab online bestellt werden. Von Österreich aus gibt es derzeit keine Beschränkungen, von Deutschland aus allerdings zum Teil schon ...

Großbritannien

Die Briten haben nicht nur bei den Brexit-Verhandlungen, sondern auch im Umgang mit der Pandemie einen überaus wirren Kurs eingeschlagen. Obwohl das Land selbst zu jenen mit den weltweit verheerendsten Coronafolgen zählt, hat es für Einreisende Quarantänevorschriften erlassen. Man muss seine Daten angeben, viele berichten aber, dass die Quarantäne dann in der Praxis so gut wie nie kontrolliert wird. In den einzelnen Regionen des Landes herrschen unterschiedliche Regeln, etwa was Maskenpflicht betrifft. Die Pubs sind (im Gegensatz etwa zu Irland) inzwischen wieder offen, ob auch alle Schulen wieder aufmachen, ist jetzt zu Beginn des Schuljahres unklar und politisch heftig umstritten.

Ungarn

Ungarn hat seit gestern, wie berichtet, die Grenzen für Ausländer geschlossen. Ausgenommen sind Bürger aus Polen, Tschechien und der Slowakei. Genau das hat die EU-Kommission auf den Plan gerufen, die in einem Brief an Ungarn Aufklärung fordert. Reisebeschränkungen nach Nationalität seien diskriminierend. Die Regelung hat weitere, komplizierte Ausnahmen, die sich etwa auf Grenzpendler beziehen.

Spanien

Spanien hat hart durchgegriffen, Discos und Nachtklubs sind zu, der „Ballermann“ in Mallorca gesperrt. Masken und Abstandsregeln sind vorgeschrieben (bereits für Kinder ab 6), Alkoholgenuss im öffentlichen Bereich verboten. Einreisen ist aus EU-Ländern und einigen Drittländern erlaubt, man muss aber ein Formular ausfüllen und auf den Flughäfen gibt es auch Gesundheitskontrollen (etwa Temperaturmessung). Umgekehrt haben zahlreiche Länder, darunter Österreich, Einreisebeschränkungen für Spanien-Reisende erlassen (außer Kanaren).

Deutschland

Auch in unserem Nachbarland wurden laufend die Regeln für Bewohner und Reisende geändert. An der bayrischen Grenze wurden Gratis-Testzentren eingerichtet, für die es enormen Zustrom gab – damit soll aber schon bald wieder Schluss sein. Zuletzt sorgte die Stadt München für Schlagzeilen, die ab einem „Inzidenzwert“ von 35 für sieben Tage (Neuinfektionen pro 100.000) ein nächtliches Alkoholverbot erlassen will; gestern erst gab der bayrische Verwaltungsgerichtshof auch in zweiter Instanz der Beschwerde eines Biertrinkers statt und kippte das Verbot. Generell herrschen in Deutschland striktere Regeln als in Österreich.

Belgien

Skurril, was gerade zwischen Belgien und Deutschland läuft. Obwohl es in Belgien wegen der relativ hohen Coronazahlen sehr strikte Regeln gibt, die auch eingehalten werden (etwa Maskenpflicht überall im öffentlichen Raum, gesperrte Discos, rigide Abstandsregeln usw.), hat das EU-Ratsvorsitzland Deutschland ausgerechnet die Stadtregion Brüssel auf die rote Liste gesetzt. Zwar gibt es Ausnahmen für Abgeordnete, aber kaum jemand aus Brüssel kann derzeit nach Deutschland ohne permanente Tests bzw. Quarantäne. Das wirkt sich auch auf die nächste Parlamentssitzung aus, die eigentlich wieder in Straßburg (Frankreich) stattfinden soll, das aber an der deutschen Grenze liegt und Gefahr läuft, ebenfalls zur „Sperrzone“ zu werden.