Bulgarien kommt nicht zur Ruhe. Krawalle, Machtkämpfe und Mafiavorwürfe: Seit Tagen wird der Balkanstaat mitten in der Viruskrise von einer Protestwelle erschüttert. Im Mittelpunkt steht der Mann, der seit über einem Jahrzehnt das Politparkett im EU-Armenhaus dominiert: Bulgariens bulliger Premier Bojko Borissow gerät zunehmend in Bedrängnis. „Abtritt!“, „Mafia!“, skandieren Tausende von Demonstranten, die dem selbst ernannten Saubermann Korruption und enge Bande zu zweifelhaften Oligarchen vorwerfen.

Seit seinem steilen Aufstieg vom Leibwächter zu Bulgariens Dauerpremier schienen Affären, Krisen und Proteste am breiten Kreuz des Hobbykickers stets abzuprallen. Schon zwei Mal, 2013 und 2016, warf der frühere Feuerwehrmann vorzeitig das Premierhandtuch, um sich wenig später erneut auf die Regierungsbank wählen zu lassen. Doch nun droht dem Liebhaber dicker Zigarren die Luft knapp zu werden.

Auslöser der Proteste war eine Schlauchbootaktion. Aktivisten des außerparlamentarischen Oppositionsbündnisses Demokratisches Bulgarien waren auf einem Strand unweit der Villa des Tycoons Ahmed Dogan gelandet, dem einflussreichen Paten der als Oligarchenpartei verrufenen DPS der türkischen Minderheit. Ihre gewaltsame Abdrängung durch Polizisten löste in Bulgarien Empörung aus.

Eine bizarre Schlafzimmeraffäre hatte den Premier zuvor viel Kredit gekostet. Das Portal „afera.bg“ veröffentlichte im Juni Fotos, die den Premier schlummernd in seinem Bett zeigten. Für Verwunderung sorgte der abgebildete Nachttisch. Eine Pistole lag unter der Lampe. Bündel von 500-Euro-Scheinen lugten aus der Schublade.

Erzürnt warf Borissow hernach dem nebenan residierenden, den Sozialisten nahe stehenden Präsidenten Rumen Radew vor, ihn mit einer Drohne auszuspionieren. „Meine Drohne ist so gut, dass sie in Zimmer eindringen, Schubladen öffnen und Euros in sie stopfen kann“, ätzte Radew spöttelnd zurück.