Es war kein Zufall, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei der Vorstellung des Wiederaufbaufonds am Montag Italiens schwer getroffene Tourismusbranche als Beispiel für einen Empfänger der Hilfen nannte.

Italien ist das größte wirtschaftliche Sorgenkind in der EU. Das ist angesichts der enormen Staatsschulden in Höhe von rund 2,3 Billionen Euro (134 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) keine Neuigkeit. Die Corona-Pandemie hat die Situation massiv verschärft. Das weiß man auch in Berlin, Paris und Brüssel. Italien als drittgrößte Volkswirtschaft der EU mit seiner Wirtschaftsleistung, die rund 20 Prozent der europäischen Wirtschaftskraft ausmacht, ist für die Eurozone systemrelevant, heute mehr als je zuvor.

Die Folgen der Coronakrise treffen keine gesunde Volkswirtschaft, sondern einen Patienten, der mit Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank seit Jahren am Tropf der Geldpolitik hängt. „Wir hatten seit der Finanzkrise nie eine echte Erholung“, sagt die Ökonomin Azzura Rainald von der Sapienza-Universität in Rom. 20 Jahre lang gab es kein echtes Wachstum mehr. „Wenn es gut geht, wird der Verlust der Wirtschaftsleistung durch Corona 10 Prozent betragen, wenn es schlecht läuft, werden es 15 Prozent“, prognostiziert der Ökonom Paolo Manasse von der Universität Bologna.

Die drastischen Folgen malen sich die Verantwortlichen bereits aus. Konjunkturprogramme werden die Staatsschuldenquote auf bis zu 160 Prozent des BIP ansteigen lassen. Massenarbeitslosigkeit wird zu noch größeren sozialen Spannungen führen. Und die Extremisten werden die Unzufriedenheit ausnutzen. Matteo Salvinis rechte Lega, die im Notstand eher zahm blieb, lauert bereits.

Italien schlittert in die tiefste Rezession seit Jahrzehnten. Das größte Problem ist sein Schuldenberg. Die Regierung in Rom hat bereits Hilfspakete mit einem Volumen von 75 Milliarden Euro aufgelegt, von der EU-Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent spricht niemand mehr. „Das europäische Konstrukt steht auf dem Spiel“, sagt Manasse. Schon bisher glich die Tragbarkeit von Italiens Staatsschuld einer Gratwanderung für ganz Europa. Die nun zusätzlich notwendigen Mittel setzen die Staatsbilanzen noch stärker der Spekulation der Märkte aus. Die wetten darauf, dass Rom seine Schulden noch bedienen kann. Essenziell sind die massenhaften Käufe italienischer Staatsanleihen durch die EZB. „Ohne die EZB wäre Italien bereits bankrott“, so Manasse.

Die Krise trifft ein Land ohne eigene Antikörper, aber mit vielen Infektionsherden wie Wachstumsschwäche, unzulänglicher Justiz und exzessiver Bürokratie. Die Unterstützungen aus Rom kamen bei vielen Kleinunternehmern nicht an. Es drohen Massenschließungen. Keine Antwort gibt es auch auf die Frage, wie der Geldfluss nach Italien kontrolliert werden kann. „Die Sorge ist berechtigt“, sagt Manasse. 100 Milliarden Euro Staatshilfen, auf diese Summe beziffern Ökonomen die nötigen Zuwendungen, um das Ärgste abzuwenden. Es wäre die Summe, die Italien aus dem Wiederaufbaufonds beanspruchen könnte.