19.47 Uhr - Zwei Prozent

Zum ersten Mal hat Ursula von der Leyen eine Zahl genannt - zwei Prozent. Das wäre jener Beitrag, bemessen an der Wirtschaftsleistung, den die Länder in Zukunft für das EU-Budget aufwenden sollten. Österreich beharrte bisher auf einem Prozent. Die Debatte ist aber erst eröffnet.

19.10 Uhr - Erste Details

Die Diskussion der Staats- und Regierungschefs dauert immer noch an, aber langsam zeichnen sich konkrete Details ab. Wie zu erwarten war, haben sich nun auch die Staats- und Regierungschefs auf das schon ausgehandelte 540-Milliarden-Euro-Paket endgültig verständigt . Im Vorfeld hatte Eurogruppenchef Mario Centeno davon gesprochen, das Geld könnte spätestens mit 1. Juni am Start sein - offensichtlich kommt das nun tatsächlich so. Das Drei-Säulen-Paket setzt sich aus dem "Euro-Rettungsschirm" ESM, Mitteln der Europäischen Investitionsbank EIB und dem Förderprogramm für Kurzarbeit "Sure" zusammen.

Unklarheit gab es in der Debatte über die konkreten Modalitäten eines möglichen "Wiederaufbaufonds" bzw. über dessen Rückzahlung. Der Gipfel wird hier wohl einen Rahmen festlegen wollen, an dem sich die Experten der Kommission dann bei der Ausarbeitung ihres Vorschlags orientieren können. Diese Details dürften in etwa eineinhalb Wochen vorliegen.

18.41 Uhr - Hoffnungsschimmer

Nun dauert es doch noch etwas länger als gedacht. Einer, der sich optimistisch zeigte, ist EU-Parlamentspräsident David Sassoli. Er sieht insgesamt einen Fortschritt bei den Verhandlungen und mehr Annäherung als Differenz. Sassoli kann übrigens dem zuletzt gemachten spanischen Vorschlag etwas abgewinnen: "Ewige Anleihen" - das sind Schulden, für die zwar Zinsen fällig werden, die aber keinen Rückzahlungstermin haben.

17.45 Uhr - Ende in Sicht

Hatte der letzte Gipfel mit großer Verspätung begonnen und viele Stunden gedauert, scheint diesmal alles viel klarer zu sein: Für 18 Uhr ist bereits die finale Pressekonferenz angesetzt. Das deutet darauf hin, dass sich die Staats- und Regierungschefs in wichtigen Punkten einig sind.

Update: Pressetermin verzögert sich doch noch etwas...

16.45 Uhr - Starkes Deutschland

Die Coronakrise hat in der Welt und in Europa alles durcheinandergebracht, sie bringt auch überraschende Erkenntnisse: Am Rande des EU-Gipfels sieht es so aus, als sei die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit voller Kraft zurück auf der europäischen Bühne. In Deutschland selbst, wo sich Merkel bis zu Beginn kommenden Jahres ja aus dem Regierungsgeschäft zurückziehen wollte, liegt ihre Nachfolgediskussion im Argen, gleichzeitig hat die Führung des Landes (wie in vielen anderen Ländern auch) durch den Umgang mit der Krise viel an Zustimmung gewonnen.

Auf Europa-Ebene ist das nicht anders, denn Deutschland steht (neben Frankreich) mehr denn je im Mittelpunkt des Geschehens. Es ist die mit Abstand stärkste Volkswirtschaft der EU und offensichtlich imstande, weiterhin den Weg vorzugeben. Merkel hatte (im Gegensatz zu früheren Ankündigungen) inzwischen nicht nur gesagt, ihr Land könnte sich sehr wohl vorstellen, in Zukunft mehr ins EU-Budget einzuzahlen, sie sprach sich auch deutlich gegen die Coronabonds aus und dürfte dazu beigetragen haben, dass sich Italien inzwischen konzilianter zeigt. Merkels klarer Satz: "Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, das muss Europa in Zeiten der Pandemie beweisen."

16.15 Uhr - Italien im Mittelpunkt

Eine zentrale Frage dieses Gipfels wird sein, ob es gelingt, die Italiener an Bord zu bringen für einen "Wiederaufbau-Fonds", der, je nach Lesart, zwischen einer und drei Billionen (!) Euro aufstellen soll. Italien hat eine Sonderstellung: das Land ist die drittstärkste Volkswirtschaft in der EU und gehört zu den Nettozahlern, steht also auf den ersten Blick nicht so schlecht da wie so manches Land im Osten. Gleichzeitig gehört Italien zu jenen Ländern, die ihre Staatsverschuldung extrem ausgereizt haben und mehrmals schon Mahnbriefe aus Brüssel erhalten haben. Das geht anderen, etwa Frankreich, auch so, doch haben die Italiener in der Vergangenheit nicht unbedingt wirtschaftlich zukunftsträchtige Konzepte entwickelt, sondern waren eher bemüht, der Bevölkerung teure Wahlversprechen zu erfüllen - Folge des Rechtsrucks im Land. Spätestens seit sich das Land in der Flüchtlingskrise von der EU ignoriert wird, ist der Druck im Land selbst gestiegen. Die Coronakrise hat Italien einen Schock beschert, auch in diesem Fall hat die EU zu spät und, wie viele meinen, zu wenig reagiert - letzte Woche entschuldigte sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausdrücklich dafür. Die Anti-EU-Stimmung im Land erreicht erschreckende Höhen; vor diesem Hintergrund bestanden die Italiener bis vor wenigen Tagen auf den "Coronabonds", die von vielen anderen Ländern - darunter Österreich - abgelehnt werden, weil sie eine Vergemeinschaftung nicht nur der neuen, sondern auch der alten Schulden fürchten. Hier ein Kommentar dazu.

Wenige Stunden vor dem nun laufenden Gipfel war erstmals ein leichter Meinungsschwenk Italiens vernehmbar, die Bonds in der alten Form scheinen nicht mehr eine Grundbedingung zu sein. Der Gipfel wird heute Abend vermutlich damit enden, dass die Kommission mit der detaillierten Erarbeitung einer technischen Lösung für den Wiederaufbau-Fonds beauftragt wird. Damit wird ein ähnliches Instrument geschaffen wie die Bonds, das aber die Bedenken der Länder mit einschließt.

15.00 Uhr - Video-Sondergipfel hat begonnen

Beim letzten Gipfel hatte sich sogar der Beginn um mehrere Stunden verzögert, diesmal läuft alles pünktlich. Ob gutes oder schlechtes Zeichen, wird sich zeigen. Am Anfang gibt es immer einen hochrangigen Meinungsaustausch, zu Wort kommt auch der Präsident des EU-Parlaments, David Sassoli. Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs ist dieser allerdings nur in einer Gastrolle, er gibt auch seine Pressekonferenz schon in wenigen Minuten. Hier jedenfalls die Bestätigung des Chefsprechers von Ratspräsident Charles Michel:

Vor dem Gipfel sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel höhere Zahlungen Deutschlands in den EU-Etat zu, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in Europa zu überwinden. Für einen begrenzten Zeitraum sollten "wir deutlich höhere Beiträge zum europäischen Haushalt leisten", sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Die italienische Regierung ging unterdessen auf Distanz zu ihrer umstrittenen Forderung nach Coronabonds. Wegen der Corona-Pandemie tagen die EU-Staats- und Regierungschefs ab Donnerstagnachmittag zum vierten Mal seit Anfang März per Video-Konferenz. Diskutiert werden soll dabei die Frage, wie die langfristigen wirtschaftlichen Folgen der Krise bewältigt werden können.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Mittwoch Solidarität mit den von der Coronakrise hart getroffenen Ländern versichert. Zugleich betonte Kurz, er lehne eine Vergemeinschaftung von Schulden ab und fordere auch, dass EU-Hilfskredite wieder zurückbezahlt werden.

EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sieht den EU-Gipfel als "Test für Europa, gemeinsam über dieses Virus hinwegzukommen". Auch Österreich werde "seinen Beitrag dazu leisten", sagte Edtstadler am Donnerstag vor dem Video-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs im Ö1-Morgenjournal.

Europäischer Marschall-Plan

Für die Erholung der Wirtschaft nach der Coronakrise werden nach Einschätzung von EU-Ratschef Charles Michel "beispiellose Investitionen" im Rahmen eines europäischen Marshall-Plans nötig. Die Instrumente dafür seien der EU-Etat und die Europäische Investitionsbank, schrieb Michel auf Twitter.

Bei dem Gipfel geht es auch um einen Wiederaufbaufonds, dessen Umfang und Details aber offen sind. Die Europäische Kommission erwägt einem internen Dokument zufolge eine zwei Billionen Euro schwere Finanzierung zum Wiederaufbau nach der Coronakrise. Neben einem neuen Fonds solle das EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 angezapft werden, um die Folgen der Pandemie zu dämpfen und nach der Krise wieder für Wirtschaftswachstum zu sorgen.

In dem Dokument heißt es, die Kommission könnte am Finanzmarkt 320 Milliarden Euro aufnehmen und in etwa die Hälfte an Regierungen in Europa weiterreichen. Ein Teil der Gelder könnte als direkte Zuschüsse ausgezahlt werden.

Die EU-Finanzminister hatten sich vor zwei Wochen auf ein Hilfspaket von 540 Milliarden Euro gegen die akuten Folgen der Coronakrise für die EU-Mitgliedstaaten, Firmen und Arbeitnehmer verständigt. Dies soll der Gipfel nun abschließend unterstützen, damit es schnell umgesetzt werden kann. Merkel sagte, sie würde sich freuen, wenn das Geld zum 1. Juni wirklich da sei.

Beim Volumen reichen die Forderungen für den Wiederaufbaufonds von einigen hundert Milliarden Euro bis zu zwei Billionen Euro. Hoch umstritten ist, ob die Gelder als Kredite oder nicht rückzahlbare Hilfen ausgegeben werden und ob der Fonds durch gemeinsame Schulden finanziert wird.

Das bereits hoch verschuldete Italien fordert seit Wochen Coronabonds, also gemeinsame Anleihen der EU-Staaten. Sie werden von Ländern wie Österreich, Deutschland und den Niederlanden als Vergemeinschaftung von Schulden abgelehnt.

Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri sagte nun der "Financial Times", seine Regierung hänge nicht an Begriffen wie Coronabonds. Er unterstützte aber einen Vorschlag Spaniens, "ewige" EU-Schulden von bis zu 1,5 Billionen Euro aufzunehmen, die dann als nicht rückzahlbare Gelder an die Mitgliedstaaten weitergegeben würden. Falls dies nicht möglich sei, müssten es zumindest Kredite mit sehr langen Laufzeiten sein.

Konkrete Vorschläge Anfang Mai

Angesichts der Differenzen schlug EU-Ratspräsident Michel vor, bei der Video-Konferenz der EU-Kommission lediglich den Auftrag zu erteilen, einen ersten Vorschlag für den Fonds auszuarbeiten. Dieser könnte bereits in der kommenden Woche kommen, wahrscheinlicher ist ein Termin Anfang Mai. Im Gespräch ist, dass die Kommission Spielräume im EU-Budget nutzt und selbst Kredite für den Mega-Fonds an den Finanzmärkten aufnimmt.

Seit Mittwoch kursieren weitere unbestätigte Details zu den angeblichen Kommissionsplänen. Nach einem internen Dokument der Behörde könnte die Krisenhilfe bis zu zwei Billionen Euro an Investitionen und Ausgaben umfassen. Ein Sprecher von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wies aber zurück, dass ein entsprechender Entwurf bereits auf höchster Ebene der Behörde abgestimmt sei.

Der Präsident des EU-Parlaments, David Sassoli, forderte, die EU müsse 1,5 Billionen Euro locker machen. "Das ist eine enorme Zahl, die mit der Emission von Anleihen garantiert werden kann. Es scheint mir, dass es jetzt größere Konvergenzen zwischen den Ländern des Nordens und den am stärksten von der Krise betroffenen Ländern gibt", sagte der Italiener.

Der Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer "Eurochambres", Christoph Leitl, verlangte vom EU-Gipfel "eine kühne Antwort ohne weitere Verzögerungen". Die Entscheidungen der Mitgliedstaaten heute würden ausschlaggebend für das Überleben europäischer Unternehmen sein.

Wifo-Chef Christoph Badelt hegt keine Erwartungen, sagte aber: "Ich glaube schon, dass es auch für Österreich Vorteile haben könnte, wenn über den EU-Umweg Mittel fließen." Hilfen etwa an Italien hätten Relevanz, da es sich um einen besonders wichtigen Handelspartner handle.

Der EU-Parlamentarier Günther Sidl (SPÖ) will die Finanzhilfen für den Konjunkturaufbau in der Coronavirus-Krise mit Geldern für den Klimaschutz verbinden. ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig bekannte sich zu einem umfangreichen Wiederaufbauprogramm und zur europäischen Solidarität. Eine gute wirtschaftliche Entwicklung in Europa sei für Österreich als Exportland wichtig.