Statt des Rückflugs im Heeresflieger vom Truppenbesuch im Kosovo und in Bosnien gab es für Verteidigungsminister Thomas Starlinger gestern eine rund zehnstündige Busfahrt nach Wien. Die derzeit einzige flugtaugliche „Hercules“-Transportmaschine blieb mit einem Defekt in Sarajevo liegen. Starlinger und seine Delegation mussten am Rollfeld wieder aus der Maschine klettern, ein fliegender Ersatz war kurzfristig nicht aufzutreiben.

Der Minister sieht die (nur Stunden später behobene) Panne sinnbildlich für den aktuellen Zustand des Bundesheeres. „Es war ein altersbedingtes Problem am Flugzeug. Man sieht ja, wir stehen derzeit mit unserem Gerät an der Kante“, so Starlinger. Er besucht dieser Tage alle großen Auslandskontingente des Bundesheeres, reiste in den Libanon, den Kosovo, nach Bosnien und fliegt nächste Woche nach Mali. Dabei sucht er das Gespräch mit den Soldaten, die vor allem eines wissen wollen: Wie geht es weiter mit dem Bundesheer?

Im Gespräch mit Eufor-Soldaten in Sarajevo
Im Gespräch mit Eufor-Soldaten in Sarajevo © BMLV/Pusch

„Wir haben tiefen Einblick, was in den Papieren der Regierungsverhandler steht“, erzählt der Minister dabei. Demnach soll der jährliche Verteidigungsetat um rund 400 Millionen Euro angehoben werden. „Vier oder fünf Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren, das klingt ja nach sehr viel. Man muss das aber in Relation setzen zu den zehn Milliarden Investitionsrückstau bei der Ausrüstung und weiteren sechs bis sieben Milliarden im Bereich der Infrastruktur“, veranschaulicht er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

Kasernenschließungen drohen

Nun ließ Starlinger den Generalstab in einer Klausur durchrechnen, welche Folgen die angenommene moderate Budgetanhebung hätte. „Zum Beispiel eine signifikante Reduktion der Kasernen um 30 bis 40 Prozent. Da haben einige Landeshauptleute schön geschaut, als ich ihnen das erzählte.“ Und sollte es bei den vier Milliarden Euro bleiben, müsste das Heer sein Auslandsengagement von derzeit 1100 Soldaten „auf maximal 600 in einem Einsatzraum herunterfahren“. Die Politik könne sich dann aussuchen, wo dieser Einsatzraum dann ist, sagt Starlinger – dann gebe es nur ein Entweder-oder. Und der Budgetpfad bedeute zudem, dass 3000 bis 4000 Leute abgebaut werden müssten. „Jeder, der in Pension geht, wird dann nicht mehr nachbesetzt. Das heißt, uns trocknen von unten die Verbände aus.“

Dass er die Verantwortungsträger in der Politik unlängst als die „Totengräber des Bundesheeres“ bezeichnet hatte, interpretiert der Generalmajor im Ministeramt so: „Der Totengräber ist ja nicht schuld am Tod des Patienten, da gab es einen langjährigen Prozess davor.“
Ob Starlingers eindringliche Warnungen der letzten Wochen bei der künftigen Regierung auf Gehör gestoßen sind, werde sich spätestens dann zeigen, wenn der Budgetbrief aus dem Finanzministerium im Ressort aufschlage. Dieser erste Voranschlag für die kommenden fünf Jahre „wird die Nagelprobe“.

Nulldefizit oder Sicherheit?

Mindesten 16 Milliarden Euro brauche das Bundesheer bis 2030 zusätzlich, um wieder einsatzfähig zu sein. Der Minister relativiert, indem er von einer jährlichen Budgeterhöhung von 0,038 Prozent des BIP spricht. „Das ist ein lächerlich hoher Betrag.“ Das Argument des Nulldefizits lässt er dabei nicht gelten. „Ein Nulldefizit geht auf Kosten dessen, die Sicherheit der Österreicher nicht mehr gewährleisten zu können.“

Die Zukunft des Bundesheers hängt für den einstigen Befürworter eines Umstiegs auf ein Berufsheer auch von der Personalstruktur ab. „Wir müssen radikal auf ein Zeitsoldaten-System umsteigen – quer durch alle Dienstgrade. Dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren fast ein Drittel in Pension geht, ist für uns keine Bedrohung, sondern eine Chance, die Struktur nach oben zu verjüngen“, unterstreicht er.

6 Monate sinnlos

Die Rekrutenausbildung mit sechs Monaten hält er „für absolut sinnlos“, wird sie nicht um zwei Monate in Form von Truppenübungen verlängert. Sollte sich die neue Regierung nicht dazu durchringen, schlägt er als Alternative die Rückkehr zum freiwillig verlängerten Grundwehrdienst vor. Dazu müsste aber ein finanzieller Anreiz geboten werden. Starlinger rechnet beispielhaft mit 1000 Euro pro Monat: „Wenn 10.000 Rekruten freiwillig um sechs Monate verlängern, kostet das 42 Millionen Euro.“ Die Entscheidung liege bei der Politik.

„Aus voller Freude“ macht Starlinger seine Arbeit als Verteidigungsminister. Er sei trotz allem optimistisch, dass sein Nachfolger viele Gestaltungsmöglichkeiten vorfinde. Ob er selbst im Amt bleiben will? „Wenn absehbar ist, dass das, was wir in unseren Berichten erstellt haben, tatsächlich von der neuen Regierung umgesetzt wird und es fragt mich der Bundeskanzler, ob ich bereit bin, das Bundesheer auf einen neuen Kurs zu bringen, dann sage ich: ja gerne.“ Sofort würde er aber sein Amt niederlegen, sobald der erste Budgetbrief seinen Vorstellungen nicht entspricht. Die Schmerzgrenze setzt er bewusst tief: „Diese vermeintlichen vier Milliarden Euro sind so weit weg von meiner roten Linie, dass es für mich nicht einmal ansatzweise eine Überlegung ist.“