Die Ähnlichkeit ist frappant: optisch wie im Gestus. Die weißen Haare, die das kernige schwarze Gesicht umranden, der Bass in der Stimme. Mehr aber noch die Ergebenheit, mit der man das Geschehen um sich akzeptiert. So wie die Romanfigur „Onkel Tom“, ein Sklave, der die Unwegsamkeiten im Süden der Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts mit christlicher Nächstenliebe hinnahm, wirkte auch Kofi Annan. Zehn Jahre lang stand er ab 1997 an der Spitze der Vereinten Nationen. Mit Charisma und Verhandlungsroutine verstand es der Berufsdiplomat die UNO wieder zum Faktor der Weltpolitik zu machen.
Unermüdlich war sein Einsatz für Arme und Unterdrückte, er warb für Frieden und Gerechtigkeit und bot sogar den USA, die seine erste Wahl erst ermöglichten, im Streit um den Irak-Krieg die Stirn. „Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit“, ist jener Satz aus seinem Mund, der den längsten Nachhall hat.
Am Ende aber, blieb er ein Gescheiterter. Denn trotz Aufopferung und Aufrichtigkeit fügt sich in seiner Lebensbilanz Leid an Elend. 1994, Annan war Leiter der Abteilung für UN-Friedenseinsätze, erreichte ihn ein Alarmruf von Blauhelmen aus Ruanda. Hutu-Extremisten planen die Vernichtung der Tutsi-Minderheit. Annans Antwort: Ruhe bewahren. Die Blauhelme sollten ihr Wissen an örtliche Behörden weitergeben. Über das, was folgte, schrieb der Spross einer ghanaischen Adelsfamilie in seinen Memoiren: „Es war eine der erschütterndsten Erfahrungen meines gesamten Berufslebens, die mich tief prägte.“ 800.000 Ruander wurden getötet.
2001 wurde Annan – zu gleichen Teilen mit der UNO – mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. 2004, ein Jahr nachdem die USA gemeinsam mit ihrem Verbündeten Großbritannien im Irak einmarschiert sind, erklärte Annan, dass die Invasion illegal war – ein mutiger Schritt, da ihm dafür das formale Mandat fehlte. Doch den Flächenbrand, der damals losgetreten wurde, konnte er nicht stoppen. 2012 versuchte Annan als Sondergesandter für Syrien seinen Beitrag zum Frieden in Nahen Osten zu leisten. Nach sechs Monaten legte er frustriert das Mandat zurück.
Der noch am wenigsten beachtete und gewürdigte Teil seines Vermächtnisses ist sein früher Kampf gegen den Klimawandel. 2006 setzte er sich für eine globale Co2-Steuer ein, nach seinem Ausscheiden als UNO-Generalsekretär startete er mit Geldern von Bill Gates und der Rockefeller-Stiftung ein Programm zur Förderung von Kleinbauern in Afrika. Er verstarb am Samstag nach kurzer Krankheit im Alter von 80 Jahren in Genf. Er hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Kinder.
Was von ihm bleibt, ist das Mahnende – wie bei „Onkel Tom“. „Folgt alle im Gedächtnis an ihn seinem Beispiel: Seid ehrlich, treu und christlich, wie er es war, und gedenkt eurer Freiheit jedes Mal, wenn ihr Onkel Toms Hütte seht!“, schließt das Buch.
Man sollte es auch mit den Bildern Annans so halten.
Thomas Cik