Jedes Jahr wird in Österreich eine Fläche in der Größe der burgenländischen Landeshauptstadt Eisenstadt für Bau- und andere Tätigkeiten neu in Anspruch genommen. Laut Umweltbundesamt kommen so im Schnitt täglich 11,5 Hektar bislang unverbautes Land unter die Räder – gemessen an der Größe des Landes ein europäischer Spitzenwert. Nicht zuletzt unter Druck dieser Zahlen hat sich die Bundesregierung im Vorjahr zum Gegensteuern entschlossen. Die damalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) kündigte im Oktober 2021 eine Bodenstrategie zur Reduktion des Flächenverbrauchs auf täglich 2,5 Hektar bis 2030 an, die Bund, Länder und Gemeinden über die Österreichische Raumordnungskonferenz gemeinsam erarbeiten sollten.

Ein interner Entwurf des Papiers (Stand: Oktober 2022) liegt der Kleinen Zeitung vor. Auf 55 Seiten, die unter der Ägide von Köstingers Amtsnachfolger Norbert Totschnig (ÖVP) weiterverhandelt werden, sind in Summe 44 Maßnahmen vorgeschlagen. Unter anderem sollen in den Raumordnungsgesetzen landwirtschaftliche Vorrangzonen und Grünzonen verankert werden, in denen Baulandwidmungen unzulässig sind. Die Widmungskriterien für Bauland sollen generell restriktiver werden, wobei Konkretes dazu (noch) fehlt. Für Großbauten soll das Raumordnungsrecht künftig Kompensationsmöglichkeiten in Form von Ausgleichsflächen schaffen.

Bodenverbrauchsziel vorerst gestrichen

Was auffällt: Das von Köstinger versprochene und auch im türkis-grünen Regierungsprogramm verankerte Ziel von nur noch 2,5 Hektar täglichem Bodenverbrauch findet in die Strategie keinen Eingang. Es soll, so heißt es im Entwurf, einer "Plausibilisierung" unterzogen und durch einen neuen Zielwert ersetzt werden. Somit ist als Ziel vorerst nur noch allgemein eine "substanzielle Reduktion der Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2030" genannt.

Der WWF kritisiert das scharf. "In dieser Form ist die geplante Strategie eine politische Kapitulation vor dem Flächenfraß", sagt Bodenschutzsprecher Simon Pories. "Es braucht dringend eine absolute Obergrenze, an der sich alle notwendigen Maßnahmen ausrichten." Auch einen wirksamen Maßnahmenkatalog vermisst Pories. "Ökologische Vorrangflächen", wie sie im Regierungsprogramm versprochen würden, kämen im Strategieentwurf ebenfalls nicht vor. Und wichtige finanzielle Maßnahmen wie etwa die Reform des Finanzausgleichs samt Kommunalsteuer seien erst für die Zeit ab frühestens 2029 vorgesehen. "Der Strategieentwurf lässt völlig offen, wie die notwendige Reduktion erreicht werden soll", kritisiert der WWF.