Die Zahl der Lawinenopfer steigt weiter: Nach einer nächtlichen Suchaktion in Auffach in Tirol steht fest, dass auch dort zwei Menschen von einer Lawine getötet wurden. Eine 61-jährige Frau und ein 60-jähriger Mann konnten kurz nach Mitternacht nur noch tot geborgen werden. 

Die beiden waren nach einer nachmittäglichen Meldung von ihrer Skitour auf die Breitenegg Spitze nicht mehr erreichbar. Von den Angehörigen verständigt, nahm die Alpinpolizei Kufstein zusammen mit der Bergrettung Auffach die Suche auf. Aus einem Hubschrauber wurde einer Schneebrettlawine entdeckt. Kurz nach Mitternacht bargen die Einsätzkräfte die beiden bereits toten Wintersportler.

Damit ist die Zahl der Lawinen-Toten nach Lawinenabgängen im Westen Österreichs am Freitag auf acht gestiegen. Sieben Menschen - darunter vier Schweden - kamen bei Skitouren in Tirol ums Leben und einer in Vorarlberg.

Lawinenabgang in Spiss

Bei einem Lawinenabgang an der tirolerisch-schweizerischen Grenze in Spiss (Bezirk Landeck) sind am Freitag fünf Menschen ums Leben gekommen. Ein weiteres Mitglied der sechsköpfigen Skitourengehergruppe überlebte und wurde ins Krankenhaus in die Schweiz geflogen, hieß es von der Polizei zur APA. Bei den Verunglückten soll es sich laut Medienberichten um eine Gruppe von schwedischen Skitourengehern und einen einheimischen Bergführer handeln.

Wie der ORF Tirol am Abend berichtete, dürften die Sportler die Lawine selbst ausgelöst haben. Der überlebende Schwede soll über eine schwedische WhatsApp-Gruppe Alarm geschlagen haben. Über diese Gruppe soll wiederum ein weiterer Schwede in Spiss kontaktiert worden sein, der wegen einer leichten Verletzung nicht mitgegangen war. Eine offizielle Bestätigung der Polizei gegenüber der APA war indes noch ausständig.

Zum Einsatzort in Spiss auf über 2000 Metern Seehöhe flogen zwei Schweizer Hubschrauber, ein österreichischer Notarzthubschrauber sowie ein Polizeihubschrauber. Das Schneebrett ging bei der Fließer Stieralpe ab und damit im freien Gelände. Die Suche durch die Einsatzkräfte war am Abend abgeschlossen.

Ein zweites größeres Lawinenunglück ereignete sich indes am Rettenbachferner in Sölden im Tiroler Ötztal. Insgesamt sieben Wintersportler, die zwischen 23 und 33 Jahre alt und aus Dänemark, Deutschland und Schweden stammen, fuhren am Gaislachkogel vom sogenannten Roten-Karle in Richtung Rettenbachtal ab und lösten die Schneebrettlawine aus. Fünf Personen gerieten unter die Lawine - zum Teil konnten sie noch ihre Lawinenairbags auslösen und wurden nicht zur Gänze verschüttet. Eine Person wurde aber komplett unter den Schneemassen begraben. Alle konnten jedoch ausgegraben werden und wurden anschließend in die Klinik nach Murnau in Bayern, in das Krankenhaus Zams, in die Sportklinik in Sölden sowie zu einem Arzt gebracht.

Das Schneebrett verschüttete aber auch eine darunter liegende Piste des Skigebietes auf einer Breite von rund 100 Metern sowie mehrere Meter hoch. Der gesamte Lawinenkegel wurde mehrmals von den Einsatzkräften nach weiteren Skifahrern abgesucht, es gab aber keinen Hinweis für weitere Verletzte.

Der Chef der Söldener Bergbahn Jakob Falkner erklärte gegenüber der APA, dass das Schneebrett offenbar von den Wintersportlern selbst im Gelände ausgelöst worden sei. Auf der Piste habe sich nach Informationen der Bergbahn sonst niemand befunden. Dies sei aber noch nicht komplett gesichert. Auch seitens der Polizei gab es diesbezüglich noch keine näheren Informationen.

Ebenfalls kurz vor Mittag kam es im Skigebiet Kaltenbach zu einem Lawinenabgang. Variantenfahrer lösten im freien Skiraum das Schneebrett selbst aus. Zwei Personen wurden teilverschüttet. Die Wintersportler konnten sich mithilfe einer weiteren Person selbst aus den Schneemassen befreien.

Chef des Lawinenwarndienstes mahnt

In Tirol war es seit Donnerstag zu ungewöhnlich vielen Lawinenabgängen gekommen. In den vergangenen 48 Stunden zählte die Leitstelle über 50 Lawinenunfälle, bei denen größtenteils keine Personen zu Schaden gekommen waren. Nach den heftigen Niederschlägen der vergangenen Tage herrschte am Freitag im Bundesland Stufe 3 der fünfteiligen Lawinengefahren-Skala. Bei dieser Stufe passieren gewöhnlich die meisten Lawinenunfälle.

Der Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes, Rudi Mair, hat sich angesichts der zahlreichen Lawinenunfälle im Bundesland am Freitag, von denen jener in Spiss besonders tragisch endete, "wütend und enttäuscht" gezeigt. Man könne nicht mehr tun, als ständig zu appellieren, bei solchen Verhältnissen und bei wenig Erfahrung auf Skitouren zu verzichten. Im APA-Gespräch mahnte Mair die Wintersportler vor allem, sich nicht nur die Gefahrenstufe anzuschauen.

Sie müssten stattdessen auch das "Kleingedruckte" komplett lesen, also den gesamten Text des Lawinenwarndienstes, der eine "Informationspyramide" darstelle. Auf die Frage, ob man nicht die Gefahrenstufe 4, also große Lawinengefahr, länger aufrechterhalten solle, um die Wintersportler zu sensibilisieren, meinte Mair: "Das wird intern durchaus auch diskutiert. Man darf die Gefahrenstufe aber nicht als Warninstrument missbrauchen". Es gehe um die fachlich exakte Einschätzung der Lage und die daraus resultierende Gefahr. Am Freitag herrschte in Tirol verbreitet Gefahrenstufe 3, also erhebliche Lawinengefahr. Bei dieser Stufe passieren statistisch gesehen die meisten Lawinenunfälle.

Die Menschen müssten einfach erkennen, dass es zu bestimmten Zeiten einfach zu gefährlich ist und keinen Sinn macht, sich abseits der gesicherten Pisten zu bewegen. So schön das Tourengehen auch sei. "Ein bisschen das ganze mit Herz und Verstand betreiben und das Hirn einschalten" - so der Appell des Leiters des Tiroler Lawinenwarndienstes.

Derzeit große Gefahr

In Tirol, speziell in den Ötztaler Alpen und in der Samnaungruppe, wo es am Freitag zu Lawinenabgängen mit mehreren Toten gekommen ist, war vor den Naturereignissen die Lawinengefahr als "erheblich" eingestuft worden. Das ist die dritthöchste Gefahrenstufe. Die Lawinenwarndienste in Tirol, Südtirol und Trentino hatten nach dem vielen Neuschnee der vergangenen Tage sowie umfangreichen Triebschneeansammlungen daran appelliert, bei Skitouren Vorsicht walten zu lassen.

"Trockene Lawinen können verbreitet schon von einzelnen Wintersportlern ausgelöst werden und groß werden", hieß es am Freitag im täglichen Lawinenreport für die betroffenen Regionen. Besondere Gefahrenstellen wurden vor allem an windgeschützten Nordwest-, Nord- und Osthängen sowie in Kammlagen angenommen. Auch vor schattigen, windgeschützten Lagen im Bereich der Waldgrenze sowie unterhalb der Waldgrenze wurde gewarnt. Mit Gleitschneelawinen war in tiefen und mittleren Lagen und an steilen Grashängen zu rechnen, an extrem steilen Sonnenhängen bestand die Gefahr von Lockerschneelawinen.

Seit Montag waren in der Samnaungruppe verbreitet 50 bis 120 Zentimeter Schnee, lokal bis zu zwei Meter gefallen. Der Wind hatte den Neuschnee intensiv verfrachtet - vor allem an windgeschützten Nordwest-, Nord- und Osthängen in hohen Lagen und im Hochgebirge. Dem Bulletin des Tiroler Lawinenwarndiensts zufolge waren die verschiedenen Triebschneeansammlungen teilweise schlecht miteinander und mit dem Altschnee verbunden.