Für Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist die Sache klar: Dass die politischen Vertreter der betroffenen Regionen nicht begeistert seien, dass ihre Region in der Corona-Ampel als gelbeingestuft worden sei, sei ja verständlich. Aber die Umsetzung in den verschiedenen Bereichen sei gut gewesen.

Trotzdem bleiben – neben dem politischen Wirbel – viele Fragen offen. Vor allem rechtliche: Denn die gesetzlichen Möglichkeiten zur Umsetzung der Corona-Ampel-Maßnahmen sorgen für Diskussionsstoff. Zuerst muss das Covid-Gesetz novelliert werden. Das soll bei der Nationalratssitzung am 23. September geschehen.

Jedoch gibt es dann noch am 8. Oktober den Bundesrat als nächste Hürde zu meistern. Der Wunsch des Ministeriums, dass die Ampel ab 1. Oktober vom Gesetz her voll funktionstüchtig sein soll, könnte bei einem Veto von SPÖ/FPÖ nicht in Erfüllung gehen. Eine Verzögerung von bis zu acht Wochen wäre möglich und die gesetzliche Basis für die Ampel-Maßnahmen könnten dann überhaupt erst Ende November geschaffen werden.

Warum man sich bei einer grundsätzlich guten Idee wie der Corona-Ampel auf rechtliche Unwägbarkeiten einlässt, obwohl genug Zeit für eine gute Vor- und Aufbereitung gewesen wäre, bleibt nach wie vor offen.
Wir haben dem Gesundheitsministerium eine Reihe von Fragen gestellt, um diverse Unklarheiten aufzuklären. Und auch die rechtliche Situation näher durchleuchtet: Der bekannte Jurist Bernd-Christian Funk lässt mit seiner klaren Kritik aufhorchen.

1 Wer sitzt in der Corona-Kommission?

Aktuell sind es 19 Personen. Darunter Ulrich Herzog (Einsatzleitung Krisenstab/Vorsitz), Daniela Schmid (Sprecherin/Ages) oder Herwig Ostermann (Gesundheit Österreich GmbH). Für die Steiermark sitzt Andrea Siebenhofer-Kroitzsch (Med Uni Graz) in dem Gremium, ebenso wie Katrin Genger (Landessanitätsdirektion). Für Kärnten ist es Heimo Wallenko (Landessanitätsdirektion). Die Corona-Kommission ist ein beratendes Gremium, das Empfehlungen abgibt, welche Ampelfarbe für eine bestimmte Region gelten soll.

2 Wie werden die Entscheidungen getroffen, ob eine Region auf Gelb oder gar auf Rot geschaltet wird?

Die Entscheidung hängt von mehreren Indikatoren ab, es geht um das „Verbreitungs- und Systemrisiko“. Im Detail schaut man sich die Übertragbarkeit (Fallzahlen, Cluster etc.), die Quellensuche („Fälle mit geklärter Quelle und ohne“), diverse Ressourcen (Versorgungskapazitäten) sowie Tests an („Tests je 100.000 Einwohner“).

3 Welche Gewichtung besitzen die einzelnen Indikatoren – und welche Evidenz gibt es für dieses System?

Entscheidende Fragen, auf die es aktuell vom Ministerium keine genaue Antwort gibt. Die Gewichtung der Indikatoren, auf denen die Empfehlung/die Entscheidung fußt, wird erst veröffentlicht – obwohl die Ampel in mehreren Regionen bereits auf Gelb steht. „Es wird gerade an einem Datenmanual gearbeitet“, heißt es aus dem Ministerium. Man sei „am Finalisieren“.

Warum einzelne Regionen auf Gelb stehen und andere mit höheren Infektionszahlen auf Grün bleiben, erklärt man mit der hohen Komplexität des Systems. „Das ist ein ganz komplexes System, das muss man in seiner Gesamtheit anschauen“, erklärt man weiter seitens des Ministeriums. Es gehe eben auch um die Anzahl der Tests, Ressourcen etc. Unsere Nachfrage in Sachen Evidenzkriterien blieb – zum jetzigen Stand – ebenso unbeantwortet.

4 Wie kleinflächig sollen die Ampeln künftig geschaltet werden? Es hieß, die Gelb-Schaltung für einen ganzen Bezirk könnte nicht sinnvoll bzw. zu weitläufig sein.

Das Ministerium antwortet zurückhaltend: „Falls es die epidemiologische Situation erfordert, wird aktuell die Möglichkeit zur Unterteilung in einzelne Regionen geprüft.“

5 Wenn Landeshauptleute und Bürgermeister die Maßnahmen
verweigern: Wie wird das Gesundheitsministerium diverse Maßnahmen trotzdem durchsetzen?

Auch hier bleibt das Ministerium vage, wohlwissend, dass man eine Flanke offen hat: „Die Corona-Ampel ist ein Werkzeug, um die Ausbreitung des Coronavirus einzugrenzen. Neben den geltenden Grundprinzipien – unter anderem Handhygiene, Atemhygiene, Abstand halten – werden Maßnahmen für verschiedene Lebensbereiche ausgesprochen, die sich an den jeweiligen Ampelfarben orientieren. Zum einen handelt es sich dabei um Empfehlungen, zum anderen um Mindestmaßnahmen, die per Verordnung geregelt werden und damit bindend sind.“

6 Ist die rechtliche Situation rund um die Corona-Ampel so, wie es das Ministerium sieht?

Es gibt Juristen, die dem Ministerium recht geben. Der renommierte Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk sieht die gesamte Situation aber anders: „Solange das alles nicht rechtlich erlassen wurde, kann es nur eine Versuchsanordnung sein. Derzeit würde nach geltender Rechtslage das, was mit der Corona-Ampel bezweckt wird, nicht rechtlich gedeckt sein.“ Und: „Mit einiger Gehirnakrobatik kann man sich vielleicht zusammenreimen, was gemeint ist.“

Für Funk geht es vor allem um unklare Formulierungen und dass diese Formulierungen, die diverse Maßnahmen ermöglichen, „massiv verbesserungsfähig seien“. Denn: „Weil es entscheidend ist, wenn es um notwendige und geeignete Maßnahmen geht, die da verfügt werden – da setzt dann die verfassungsrechtliche Kritik ein. Bei aller Unklarheit muss man davon ausgehen, dass damit Ausgehverbote verhängt werden können. Und dann die Frage aufkommt: Ist das so gemeint? Und wenn ja, ist das nicht zu weit gehend?“

Funk erläutert weiter: „Mein Eindruck: Da gibt es die Auffassung auf politischer Ebene, der Rechtsstaat hat sich nach dem zu richten, was die Seuchenpolitik für richtig hält. Im Gesundheitsministerium ist nach dem Prinzip Pi mal Daumenbreite gearbeitet worden.“ Funk lässt auch die Begründung der Maßnahmen (Masken) durch die Lockerungsverordnung nicht gelten: „Wenn das so wäre, warum investiert man so viel Energie in die Änderung der Gesetzeslage und die Sanierung der Verordnungsebene? Wir leben in den Rechtsgrundlagen der Seuchenbekämpfung noch lange nicht in der besten aller möglichen Welten, da ist noch viel Luft nach oben.“

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