Der 25. Oktober 1929. Ein Tag, der das Leben der Menschen weltweit veränderte. In New York krachte die Börse an der Wall Street zusammen. Die Beben kamen auch in die Steiermark. Zu verzahnt war bereits die Wirtschaft. Das Land hatte sich seit 1918, trotz der Abtrennung der Untersteiermark, der Zertrennung der Lebensader Südbahn und der Abtrennung von Industrien wirtschaftlich gut erholt. 1928/29 war das beste Wirtschaftsjahr.

Bald schon krachten auch in Österreich Firmen- und Banken zusammen, wurden Hunderttausende Menschen arbeitslos. Nichts war mehr wie früher. Hoffnungen und Perspektiven mussten begraben werden, die Berechenbarkeit schwand, die Verarmung schnellte in die Höhe. Der Zusammenbruch der Creditanstalt war da nur die Spitze des riesigen Eisberges.

Die Konjunktur stürzte völlig ab, die Werke der Alpine meldeten leere Auftragsbücher, die Arbeit ging zurück, die Zahl an Arbeitslosen in die Höhe. Aus eigener Kraft konnte man nicht mehr entgegensteuern, zu unbeweglich war das Landesbudget, zugeschnürt mit Gehaltszahlungen und Soziallasten. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu finanzieren, war unmöglich geworden, auch weil man keine Schulden machen wollte.
Nach der Creditanstalt krachten weitere Banken zusammen. Menschen leerten in Panik ihre Konten und verschärften damit die Krise. In Graz demonstrierten Tausende Arbeitslose um Arbeitslosengeld und um Arbeit. Die Zurückstellung aller Landes-Investitionen um zwei Jahre verhinderte den Landesbankrott.

Arbeitslose versuchten, als Straßenmusikanten Geld zu verdienen
Arbeitslose versuchten, als Straßenmusikanten Geld zu verdienen © Picturedesk

Die Rückzahlungen der Dollaranleihe des Landes mussten auf Pump bezahlt werden, andernfalls drohte Wien, alle Überweisungen an die Steiermark zu sperren. Man begann, Finanzlöcher durch neue Löcher zu stopfen. Die Beamten verloren ein Fünftel ihres Gehalts, eine Biersteuer (!) half, die Lehrerlöhne zu bezahlen. Landesaufträge wurden nicht mehr bezahlt, was weitere Firmen in den Konkurs trieb. Für 1933 konnte das Landesbudget nicht mehr erstellt werden. Betriebe, wie die Weitzer Waggonfabrik in Graz, standen still. Am Erzberg und in den Alpinewerken war es ähnlich. Menschen wanderten von dort ab, nach Hause, wo sie die Sozialbudgets der ohnehin verarmten Gemeinden zum Kippen brachten. So traf Hitlers „Tausend-Mark-Sperre“ 1933 die gesamte Wirtschaft. Mariazell verlor als Folge 90 Prozent der deutschen Touristen. Ähnlich war es am Semmering, in Gleichenberg oder Graz.
Die weite Verarmung, der Rückgang der Produktion, das Ausbleiben deutscher Gäste und eine schwere Verschuldung der Bauern brachten die Gemeinden an den Rand des Ruins, einige waren zahlungsunfähig. Die öffentlichen Stützungen, die Versuche zur Umschuldung von steirischen Bauern, der staatlich organisierte freiwillige Arbeitsdienst, arbeitsintensive Bauprogramme (wie die Packer Straße), die Stützung karitativer Organisationen, der Fürsorge für Ausgesteuerte und Bettler sowie Punkt-Förderungen waren zu gering, um nachhaltig aus der Krise zu kommen.

Viel stärker wirkten bereits jene Maßnahmen, die das Dritte Reich nach dem Juli-Abkommen 1936 gesetzt hatte: die Aufhebung der „Tausend-Mark-Sperre“ und die Einbeziehung der Alpine-Montan in den deutschen Vierjahresplan und die Aufrüstung. Diese vor allem politisch motivierten Maßnahmen wirkten stark psychologisch für den Nationalsozialismus. So gab es im Frühjahr 1937 in Eisenerz keine Arbeitslosen mehr. Der Personalstand der Alpine war um 50 Prozent gestiegen. Die Einwohnerzahlen der Stadt explodierten binnen weniger Jahre auf das Doppelte.
Die öffentlichen Bauaufträge des Staates kamen ab 1937 zu spät. In den wirtschaftlichen Anschluss an das Deutsche Reich setzten daher auch breite Schichten große Hoffnungen. Mittelstand, Beamte, Gewerbetreibende, Lehrer, Exekutive, Bauern und Arbeiter. Die Gründe waren zwar vielfältig, lassen sich jedoch auf die wirtschaftlich-sozialen und nationalen Versprechungen der Nationalsozialisten konzentrieren: Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit und des Elends breiter Massen, eine wirtschaftliche Hochkonjunktur durch den Einbau in die bereits auf Volltouren laufende deutsche „Kriegswirtschaft im Frieden“, die Beseitigung der Grenzlandnachteile durch eine national bedingte Aufwertung der gesamten Steiermark als „deutsches Grenzland“ und damit eine Umorientierung der wirtschaftlichen Ausrichtung des Landes nach Deutschland.

Viele von den Nationalsozialisten propagierten wirtschaftlichen und sozialen Versprechungen und später teilweise verwirklichten Maßnahmen hatten im Lande Kontinuität, waren längst – in etwas anderer Form oder unter anderem Namen – bekannt und waren so auch auf breite Zustimmung gestoßen, wie die allgemeine Wehrpflicht auch als Maßnahme gegen die Arbeitslosigkeit, die Winterhilfe, die propagandistisch als „Entschuldung“ gepriesene Umschuldung für Bauern oder Aufträge für Rüstungsbetriebe. Was zählte, war, Arbeit zu schaffen.

Die viel zu späte Gegensteuerung des Staates mit öffentlichen Aufträgen Arbeitsplätze zu schaffen, der Freiwillige Arbeitsdienst oder die Wiedereinführung der Wehrpflicht wirkten 1937/38 nur noch partiell und wurden kaum mehr wahrgenommen. Die Arbeitslosigkeit, die Verarmung breiter Schichten ließ die Kaufkraft sinken, der Inlandsabsatz, vor allem nach Wien, stockte durch Importe ausländischer Produkte.

Die Folgen waren katastrophal: Die Bauern saßen auf ihren Produkten, konnten keine Tiere mehr verkaufen und ihre Schulden für Saatgut oder Maschinen nicht mehr bezahlen, Geld wurde knapp und fast nur noch privat mit Zinsen von bis zu 30 Prozent verliehen. Besonders Berg- und Kleinbauern hatten durch das Sinken der Holz- und Viehpreise nahezu keine Chance, der Zwangsversteigerung zu entkommen. 1937 standen bereits 46 Prozent der steirischen Bauern mit mehr als der Hälfte des Besitzwertes in der Kreide. Auf jeder sechsten Wirtschaft klebte der Kuckuck des Gerichtsvollstreckers.

Einen Ausweg schien das Dritte Reich zu versprechen. Nur wenige ahnten 1938 im lauten, alles übertönenden Jubel des „1000-jährigen Heils“, dass dieser Weg geradewegs in die schlimmste Katastrophe führen sollte.

© KK