55.000 Soldaten – so viele umfasst die Mobilmachungsstärke des Bundesheeres. Damit passen die gesamten österreichischen Streitkräfte in das Ernst-Happel-Stadion in Wien. Wer glaubt, dass das reicht, um das Land zu verteidigen, irrt. Und selbst diese 55.000 wären im Ernstfall nicht sofort einsatzbereit.

Rund zwei Drittel des Heeres bestehen aus Milizsoldaten. Doch die Miliz ist ausgedünnt: Derzeit besteht ein Bedarf von rund 2250 Offizieren, 6000 Unteroffizieren und 3000 Chargen und Mannschaftsfunktionen für die Mobilmachungsorganisation. Während der letzten vier Jahre konnte der Bedarf an Milizoffizieren durchschnittlich lediglich zu 55 Prozent, der Bedarf an Milizunteroffizieren durchschnittlich nur zu 35 Prozent gedeckt werden. Viele Mannschaften sind nicht übungspflichtig. Sie wären im Krisenfall erst nach Monaten einsatzfähig – oder Kanonenfutter. Wollen wir das?

Das Konzept der Freiwilligkeit ist gescheitert. Seit zwanzig Jahren versucht man, mit Prämien und Kampagnen Freiwillige zu gewinnen – ohne ausreichenden Erfolg. Österreich ist ein Land großzügiger Spender, aber niemand würde auf die Idee kommen, das Steuerzahlen freiwillig zu machen. Auch Verteidigung funktioniert nicht durch Appelle allein.

Wer glaubwürdige Sicherheit will, muss handeln. Das bedeutet: Rückkehr zu verpflichtenden Truppenübungen und Verlängerung des Grundwehrdienstes, damit die Präsenzorganisation im Krisenfall rasch reagieren kann. Das fordert die Offiziersgesellschaft seit Jahren. Nicht aus Selbstzweck, sondern zum Schutz der Bevölkerung in unsicheren Zeiten.

Und ja, auch über einen Wehr- oder Ersatzdienst für Frauen darf gesprochen werden. Denkverbote helfen nicht, wenn Europa seine Werte verteidigen will. Die skandinavischen Länder zeigen, wie moderne, gleichberechtigte Wehrpflicht funktionieren kann.

Österreich steht in einer zunehmend konfrontativen Welt. Unsere Bundesverfassung verpflichtet zur Allgemeinen Wehrpflicht im Milizsystem – nicht als Symbol, sondern als Verteidigungsauftrag mit einer raschen Reaktions- und einer langen Durchhaltefähigkeit.

Eine Expertenkommission wird demnächst Vorschläge unterbreiten. Ich schließe mich bereits jetzt der Forderung des Bundespräsidenten anlässlich des heurigen „Tages der Leutnante“ an der Militärakademie an: Die Politik muss danach rasch handeln, um die Einsatzfähigkeit des Bundesheers zu erhöhen – auch wenn die nötigen Entscheidungen unpopulär sind.

Brigadier Erich Cibulka ist Milizoffizier und Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft. Im Zivilberuf ist er als Unternehmensberater, Speaker und Autor tätig.

Es ist nicht bloß ein Bauchgefühl, dass die Welt konfrontativer geworden ist. Die Friedens- und Konfliktforschung zählt mehr Kriege als noch vor einigen Jahren. Abrüstungsverträge erodieren oder werden gekündigt. Zudem wurde global in den letzten zehn Jahren jedes Jahr noch mehr Geld für Militär und Waffen ausgegeben. Im letzten Jahr 2718 Milliarden Dollar – so viel wie nie zuvor.

Was tun? Manche sagen: mitmachen beim Aufrüsten. Panzer, Raketenartillerie, Drohnen, Kampfjets und je mehr Soldatinnen und Soldaten, desto besser. Umgeben von NATO-Staaten und der Schweiz gibt es dafür bestenfalls einen teuer bezahlten Abschreckungsfrieden und die Börsenkurse der Rüstungskonzerne gehen weiter durch die Decke.

Andere sagen: Wenn schon alle aufrüsten, müssen gerade neutrale Staaten glaubwürdige und international nützliche Beiträge für mehr Dialog und realistische Abrüstung leisten. Das Ziel dabei: kooperativer Ordnungsfrieden auf Basis des völkerrechtlichen Gewaltverbots. Das Gespräch als „Trademark Austria“.

Nicht wehrbereit zur Waffe greifen zu wollen, hat hierzulande vielerlei Gründe. Dazu zählen Zweifel an der Sinnhaftigkeit, gewaltfreie Grundhaltung, moralische und religiöse Motive, Angst oder auch der Widerwille, sich persönlich in eine Rüstungs- und Gewaltlogik hineinziehen zu lassen.

Österreich ist neutral und darf sich nicht an Kriegen beteiligen. Aber neutral zu sein heißt nicht, nichts zu tun. Russlands Präsident Wladimir Putin hat oft mit Atomwaffen gedroht. Österreich hat sich mit vielen Staaten des Globalen Südens und zivilgesellschaftlichen Bewegungen für den Atomwaffenverbotsvertrag engagiert. Dieser ist seit 2021 in Kraft und braucht weiterhin eine laute Stimme. Militärisches Know-how und die in Wien ansässigen internationalen Organisationen sind dabei – genauso wie bei der Stärkung des Verbots von Anti-Personen-Minen oder Chemiewaffen – bedeutsam.

Kontingente zum UN-Peacekeeping und zur zivilen Konfliktbearbeitung sind international gefragt. Beiträge im Rahmen der Vereinten Nationen und der OSZE untermauern die Idee der Stärke des Rechts statt des Rechts des Stärkeren. Menschen mehr Wehrdienst aufzubrummen, ist dabei nicht hilfreich.

Bieten Diplomatie, Abrüstung, Dialog und Vermittlungstätigkeit Schutz? Politisch durchaus. Aktive Friedenspolitik ist präventiver Katastrophenschutz – damit bei Kriegen auch Ansätze zu deren Beendigung großgeschrieben werden und nicht alle Sicherungen durchbrennen.

Thomas Roithner ist Friedensforscher, Privatdozent für Politikwissenschaft und Senior Lecturer am Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien.