Bei den verheerenden Erdbeben starben seit dem 6. Februar über 48.000 Menschen – davon über 42.000 in der Südosttürkei. Nun brachten Dutzende türkische Anwälte Anzeigen gegen den Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und weitere Amtsträger ein. Sie werfen dem "Sultan", Ministern, Gouverneuren und regierungsnahen Bauunternehmen unter anderem fahrlässige Tötung und Amtsmissbrauch vor.

Erdoan versprach schnellen Wiederaufbau, inszeniert sich gar als tatkräftiger Macher. Die Realität ist eine andere: Alle Warnungen seriöser Seismologen wurden in den Wind geschlagen. Dass Erdogan die Tragödie als Elementarereignis, gegen das man nichts unternehmen könne, bezeichnet, ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer. Die Gebäudesubstanz ist marode, die Regierung legte keinen Wert darauf, erdbebensicher bauen zu lassen.

Schlimmer noch: Erdogans Kabinett sorgte 2018 mit entsprechender Amnestie dafür, dass unzählige halbseiden hochgezogene oder illegal adaptierte Häuser für bewohnbar erklärt worden sind: Pfusch und staatliche Fahrlässigkeit. Dass seine Regierung gewogene Bauunternehmen mit Aufträgen versorgte, ist ein offenes Geheimnis.

Nahende Wahlen sind ob des systematischen Totalversagens ein Desaster für den ehern Regierenden. Die wahre Katastrophe aber sind die Zehntausenden Toten im Trümmerfeld. Mit der Klage dürfte man nicht sehr weit kommen – sie bringt jedoch noch mehr Gegenwind für einen Politiker mit sehr viel Erklärungsbedarf und einem möglichen Ablaufdatum.