Die gesetzliche Impfpflicht war zwar ohnehin nur mehr totes Recht, aber die Regierungsparteien hatten selbst vor der Leiche noch Angst, es könnten von ihr dämonische Kräfte und neues, finsteres Ungemach ausgehen.

Also rückten der Gesundheitsminister und der Klubobmann der ÖVP zu nächtlicher Stunde, als alles schlief, mit der Schaufel aus, um die Leiche für immer zu verscharren. Nichts sollte mehr an sie erinnern. Niemandem sollte sie zur Last und auf den Schädel fallen, schon gar nicht den eigenen. Niemand sollte im Herbst, wenn die ersten der unheilvollen Landtagswahlen anstünden, mit den Knochen in der Schüssel schütteln und einen wilden Tanz um sie herum vollführen, wie es alte afrikanische Stämme noch tun, wenn die Toten angerufen und beschworen werden.

Am nächsten Morgen war das Gesetz Schall und Rauch. Der Titel für die Parte, nachzulesen auf den Seiten 2/3, war aufgelegt. Die Totengräber traten vor die erstaunte Öffentlichkeit und sprachen Psalme über den Frieden, der nun auf der Welt einkehre, in den Familien, Vereinen und Belegschaften. Sie sprachen über Schwerter, die zu Pflugscharen und Gräben, die zu Zugbrücken würden. Dann stimmten die Beiden das Hohelied der bürgerlichen Eigenverantwortung und der Solidarität an, auch wenn das in den vergangenen Jahren selten Geschwister, sondern in der Regel Gegensätze waren.

Wenn man genau schaute, über den imaginierten Grabhügel hinweg, wo die Leiche verscharrt worden war, konnte man am fernen Horizont die Sommerwelle sehen und wie sie stetig anschwoll. Das Gesetz habe niemandem zum Impfen bewegt, um sich und andere vor schwerem Verlauf zu schützen. Selbst Impfbereite hätten sich in Auflehnung gegen das Gesetz verweigert, hörte man den Minister sagen. Die beerdigte Pflicht bleibe ein medizinisches und solidarisches Gebot, aber was man zu tun gedenke, damit die Bürgerinnen und Bürger ihm Folge leisten, kam leider in keinem Psalm vor.

So erlebte man die freimütige Kapitulation vor dem Gesetzesbruch, vor der MFG, vor dem Herbst und vor sich selbst und dem politischen Unvermögen. Nie trat es greller zutage als im Widerschein des vermurksten Gesetzes zur Impfpflicht.

Einen lichten Tag wünscht