Vor Kurzem verbreitete die islamische Glaubensgemeinschaft Millî Görü in den sozialen Netzwerken den Aufruf: „O Allah, lass uns diese Sicht sehen. Trockne die Wurzeln Israels aus.“ Ein montiertes Bild zeigte türkische Soldaten vor der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Es war in den Tagen, als sich in Deutschland und Wien Judenhass, getragen von muslimisch-migrantischen Milieus, auf den Straßen brachial entlud. Die Demonstranten wünschten Israel den Untergang und schmähten Juden als Kindesmörder. Das Entsetzen spannte sich über alle Lager. Gerne macht es sonst vor der linken Zivilgesellschaft halt. Sie empört sich gehemmt über muslimischen Antisemitismus, beim rechtsradikalen krampft sie weniger. Die Sorge, als ausländerfeindlich etikettiert zu werden, ist größer als die Sorge um die Opfer antijüdischen Furors.

Die Millî-Görü-Bewegung gibt es auch in Österreich. Wo sie verankert ist, kann man auf der umstrittenen Islam-Landkarte erfahren. Die Standorte lassen sich auf der Grafik anklicken. Neben servicebezogenen Daten erhält man auch Infos über problematische Aspekte, die nationalistische Aufladung oder die Verbindungen zum türkischen Regime. 623 Vereine sind auf der Landkarte erfasst. Bei den meisten stößt man nur auf dürre Info-Kästen mit den Kontaktdaten. Bei etlichen werden Verdienste um die Integration würdigend aufgelistet, etwa: der Umstieg auf die Predigtsprache Deutsch. Ein „mittelalterlicher Pranger“, der lobt? Oft bittet man auch um Hinweise, sollten Daten fehlen oder fehlerhaft sein. Überhaupt wirkt das Ganze unfertig. Man fragt sich, wieso das Register jetzt rausmusste. Das nährt Zweifel an einer redlichen Motivlage. Das behindert das Ziel, das offene, vorurteilsfreie Benennen und Lösen des Problems. Es offenbart sich dort, wo das Recht auf freie Religionsausübung missbraucht wird, wo der Glaube eine politische, antiwestliche Agenda hat, sich über den Rechtsstaat erhebt und Heranwachsende, die sich marginalisiert fühlen, mit aggressiver Opfer-Theologie in die Netze treibt. Auch der junge Wiener Terrorist hat sich in zwei nahen Moscheen radikalisiert, nicht in einem fernen Dschihadisten-Camp.

Transparenz kann kein Skandal sein. Digitale „Kartenansichten“ über Pfarren finden sich auch von christlichen Kirchen. Hier ist der Atlas freilich Eigenmarketing und kein staatlicher Röntgenschirm. Natürlich wäre es zielführender, die muslimische Glaubensgemeinschaft wäre eingebunden. So lädt man sie ein, mit dem flinken Vorwurf des „Pauschalverdachts“, den niemand erhob, das Problem an sich vom Tisch zu fegen. Ohne das Bemühen um Unterscheidung lässt es sich nicht lösen, aber das gilt für beide Seiten. Die Differenzierung muss zuallererst von innen kommen. Nur die Glaubensgemeinschaft kann den Trennstrich ziehen. Solange sie sich entzieht und hinnimmt, dass muslimische Kritiker, die an Studien mitwirken, Polizeischutz benötigen, bleiben der Graben und das Misstrauen. Und eine Landkarte als sein Symbol.