Günter Höfler, der frühere Armeechef, war gestern zu Besuch im Newsroom. Gedankenaustausch zur neuen Weltlage, und was sie für Österreich und seine Sicherheit bedeutet. Der ehemalige Generalleutnant und Leiter der militärischen Vertretung Österreichs in Brüssel, brachte eine fordernde These mit, eine Art neuer Friedenslehre im Angesicht der neuen Wirklichkeit. Sie hörte sich an wie eine Erwiderung auf die Ostermärsche und deren Parole „Frieden schaffen ohne Waffen“.

Die Wirklichkeit entlarve den alten pazifistischen Mahnruf als untaugliches Konzept. Für die Geschundenen in der Ukraine klinge er vermutlich sogar abgrundtief zynisch. Höflers Gegenthese: Schwäche sichere keinen Frieden, sondern gefährde ihn, weil sie ein Einfallstor sei für Aggressoren. Werte wie Freiheit und Demokratie könne man nur sichern, wenn man die Entschlossenheit aufbringe, sie notfalls auch mit der Waffe zu verteidigen, eine feierliche Rhetorik reiche nicht mehr.

Wehrhafter Pazifismus, wir klopfen die Position ab und fragen dagegen: Aber Herr General, redet sich da Europa nicht in eine „Kriegstüchtigkeit“ hinein, eine Kriegsfiebrigkeit gar? Höfler widerspricht: Noch nie sei Europa, und sei der Casus belli auch nur eine kleine russische Enklave in Estland, so attraktiv für feindlich Gesonnene von außen gewesen wie heute: die Risse in der Beziehung zum Protektor Amerika, das fehlende politische Gravitationszentrum, das defizitäre Vermögen, die Außengrenzen militärisch zu sichern, die nicht kompatiblen Verteidigungssysteme, die fehlenden Führungsstrukturen: all das stärke nicht den Frieden, sondern schwäche ihn. Putin kenne die Lecks.

Was ein solcher Befund für Österreich zur Folge habe? Höfler zögert nicht lange mit seinem Forderungskatalog: eine Neuinterpretation und Europäisierung der Neutralität, ein unzweideutiges Bekenntnis zu sicherheitspolitischer Solidarität und Mitwirkung, Verzicht auf die Klausel, sich im Bedrohungsfall wegducken zu können, Verlängerung des Grundwehrdienstes mit einer Reanimierung des Milizsystems, das mit Ausnahme von ein paar Fangruppen an die Wand gefahren worden sei. Den Bericht über das Gespräch lesen Sie in der Karsamstagsausgabe, wir verstehen ihn als Impuls für die notwendige, noch immer nicht diskursfähige Sicherheitsdebatte im Land.

In der heutigen Karfreitagsausgabe wird Sie womöglich die Titelseite irritieren. Die Irritation ist gewollt, wir haben den Medienkünstler Richard Kriesche noch einmal um eine Intervention gebeten, die am Ostersonntag ihre Auflösung findet. Um die Erfahrung existentieller Verlassenheit, den der Gekreuzigte mit den Menschen teilt, als radikale Form der Menschwerdung und als Ermutigung, Leid und Unrecht zu überwinden, geht es im Beitrag der Religionswissenschafterin Theresia Heimerl, der Interpretin der heurigen Karwoche. Lektüreempfehlung für stille Momente an einem Tag, der in konfessionsübergreifender Selbstvergessenheit der Privatisierung anheim gefallen ist.