Leserbriefe zum Interview „‚Schulprobleme fliegen uns um die Ohren‘“, 8. 9.
Mit großem Interesse habe ich das Interview mit Herrn Salcher gelesen, weil mir das Wohl unserer Kinder und Jugendlichen sehr wichtig ist. Ich habe gehofft, gute Ansätze zu finden, wie Schule anders funktionieren könnte, damit alle Kinder und Jugendlichen daran teilhaben können. Doch leider fand ich in dem Interview wieder einmal die Ausrede, dass die Zuwanderung von anders sprechenden und denkenden Menschen unser Hauptproblem sei. Dass es Probleme macht, liegt auf der Hand. Doch die immer stärkende Trennung zwischen Zuwanderern und Einheimischen ist nicht die Lösung. Warum nutzen wir das Potenzial der Zuwandererfamilien nicht? Warum zeigen wir den Kindern nicht, dass Sprache nicht nur im Deutschunterricht wichtig ist, sondern in allen Lebensbereichen und allen Schulgegenständen? Warum nicht Deutsch in allen Unterrichtsgegenständen einfließen lassen und praktisch anwenden?
Was ich auch nicht mehr hören bzw. lesen kann, ist, dass wir noch mehr Kinderbetreuungsplätze brauchen und die Ganztagesschulen ausgebaut werden müssen. Die Kinder werden immer mehr dem Elternhaus entfremdet, Erziehungsaufgaben werden immer mehr an die Einrichtungen abgegeben. Und dann, ein paar Sätze weiter, einen verpflichtenden Elternkurs fordern. Wozu, wenn die Kinder nur mehr zum Essen und Schlafen zu Hause sind?
Ich selbst arbeite seit mehr als 25 Jahren mit Familien und beobachte große Veränderungen, die sich leider oft negativ auswirken. Ich wünsche mir, und daran beteilige ich mich auch aktiv, dass Eltern in ihren Erziehungsaufgaben und Verantwortungen mehr gestärkt werden und nicht verunsichert. Ich wünsche mir Wahlfreiheit für die Eltern, was die Kinderbetreuung ihrer Kinder betrifft. Vor allem Frauen wird mit der Altersarmut Angst gemacht. Wir brauchen endlich gute Rahmenbedingungen für unsere Familien. Machen wir Familien Mut und nicht Angst.
Romana Ravnjak, Seeboden
Zukunft gestalten
Alle Jahre wieder kommt der Schulstart, die Erstklässler freuen sich etwas zu lernen. Die Eltern freuen sich, dass die Kinder wieder sicher untergebracht sind, die Zeitungen freuen sich, wieder ein Thema zu haben. Und alle Jahre wieder stellen Experten – und auch solche, die keine Ahnung von Schule haben – fest, dass der Wurm drin ist in unserem Schulsystem. Die Bildung, ja die Bildung, da sollte man, da müsste man, da braucht es, da ist es wichtig, denn Kinder, ja die Kinder, die sind unsere Zukunft …
Inzwischen sind die Probleme so mannigfaltig, dass ein Herumdoktern – und dies versuchen alle immer wieder – keine Lösungen mehr bringt. Unser Bildungssystem ist wie ein altes kleines Haus, an dem alle paar Jahrzehnte ein Zubau drangesetzt wurde, in dem jeder Teil ein eigenes Stromnetz hat, die Abwasserleitung über zehn Ecken geht, an manchen Stellen die feuchten Flecken notdürftig übermalt wurden und der Keller schimmelt. Es gehört generalsaniert! Aber keiner traut sich, keiner will in die Zukunft schauen. Welcher Politiker, welche Partei hat den Mut, sich einen Platz in den Schulbüchern zu sichern, auch wenn er/sie vielleicht nach vier Jahren wieder zurück an den Arbeitsplatz muss? Wer ist nicht nur Berufspolitiker, sondern Gestalter der Zukunft?
Klaus Höllbacher, Graz
Keine Wirkung
Ich hätte gerne von der Regierung gewusst, welches Thema so weit umgesetzt und beschlossen wurde, dass es für mindestens 25 Jahre hält und unsere Gesellschaft weiterbringt. Wenn ich diesen Artikel lese, frage ich mich, was ein ehemaliger Uni-Professor in seinem Ministerium gemacht hat.
Viele Schüler können nicht sinnerfassend lesen und viele Politiker können nicht sinnerfassend hören! Es schreiben sich Menschen und Journalisten die Finger wund und machen sich über gesellschaftliche Probleme Gedanken und niemand liest das Geschriebene. Selbst ein Herr Badelt wird von der Regierung dahingestellt, als würde er in seinen Schriften ein Märchen erzählen.
Ob ein gesundes Bildungssystem mit einem Asylstopp zu klären ist, wage ich zu bezweifeln. Wie in jedem Wahlkampf werden die guten „Vorsätze“ keine Wirkung zeigen!
Ing. Wolfgang Eberl, Graz
Unser aller Anliegen
Es wird hoffentlich niemand glauben, dass die Probleme im Bildungsbereich nur die Schulen etwas angehen – denn das, was heute in den Klassenzimmern passiert, ist das Bild unserer Gesellschaft von morgen.
Ich hoffe inständig, dass die Politik unsere Jugend jetzt nicht im Stich lässt – im Interesse von uns allen.
Eleonore Bergmann, Graz
Konkrete Zahlen
Andreas Salcher sieht in den ländlichen Kleinschulen den größten Kostentreiber für unser Bildungssystem. Offensichtlich möchte er die ausgedünnte Infrastruktur in den ländlichen Regionen weiter dezimieren. Er sollte Zahlen liefern, um wie viel die Unterrichtskosten pro Kind in einer Kleinschule am Land inklusive Stützlehrer, Sozialbetreuer und Schulpsychologen höher sind als in einer städtischen Pflichtschule, von Brennpunktschulen ganz zu schweigen.
Auch wäre interessant zu wissen, wie hoch der Anteil bei Pflichtschulabgängern in Kleinschulen am Land bzw. städtischen Pflichtschulen ist, die nicht sinnerfassend lesen können. Herr Salcher beklagt das schlechte Abschneiden unserer Kinder beim Pisa-Test. Finnland hat immer besser abgeschnitten als wir und hat aber eine wesentlich höhere Jugendarbeitslosigkeit als Österreich! Und trotz unseres laut Herrn Salcher ungenügenden Bildungssystems sind wir seit EU-Beitritt verlässlicher Nettozahler. Oder zahlen wir so viel, weil wir unsere Beiträge selbst nicht ausrechnen können und andere das für uns tun müssen?
ÖkR. Urban Prugger, St. Johann am Tauern
Chancen nützen
Zum Schul- und Studienbeginn bekommt man auch in Wahlzeiten kaum Überlegungen zu einer zukünftigen Bildung. Die Erwartungen an die Zukunft ergeben sich allgemein in den Wünschen, es möge besser werden als die Gegenwart. Aktuell laufen die Entwicklungen solchen Wünschen entgegen. Der Konsum wächst, das Klima verändert sich, neue Problembereiche durch einen Wandel der Gesellschaft kommen auf. Schulische und außerschulische Bildung kann mit ihren Ressourcen viel erreichen.
Eine künftige Lebensgestaltung besteht darin, das erreichte zivilisatorische Niveau in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Gleichheit, Bildung und Rechtsstaatlichkeit zu verbessern. Den bisherigen Lebensstil fortzusetzen und weniger Ressourcen zu verbrauchen, ist unglaubwürdig. Man denke nur an die Windräder, E-Autos, die Konsumkultur und das Mobilitätsverhalten.
Eine zukünftige Entwicklung wird weniger Produkte anbieten, weniger Mobilität bereitstellen, eine andere Modernität und eine andere Lebensqualität haben (müssen). Bildungsmaßnahmen sind gefordert. Jeder Beginn hat seine Chancen, sie sollten genützt werden können.
Dr. Günther Dichatschek MSc, Kitzbühel
Nicht verscherzen
Im lesenswerten Interview mit Andreas Salcher wird geschrieben, dass „auch in diesem Wahlkampf Bildung keine Rolle spielt“. Mein Kurzkommentar dazu: Die politischen Parteien wollen es sich mit dem „System“ nicht allzu sehr verscherzen, weil es könnten ja Wählerstimmen verloren gehen.
Dr. Wolfgang Himmler, Graz