Warum gibt es heute bei Ihnen keine Familienfeier?
HARALD SERAFIN: Daniel ist aus künstlerischen Gründen gerade in Seefeld in Tirol. Außerdem hält er diesen Vatertag für einen Blödsinn, für irgendeine depperte Erfindung der Amerikaner.
DANIEL SERAFIN: Einspruch! Das habe ich nie gesagt. Für mich gilt hier dasselbe wie für den Muttertag: Warum soll ich meine Eltern nur an einem einzigen Tag im Jahr feiern und ehren? Vatertag, Muttertag sind für mich in diesem Sinn das Blödeste überhaupt. Ich möchte das ganze Jahr für sie da sein, und nicht nur an diesem einen Tag.

Harald Serafin, der Begriff „Vater“ mag bei Ihnen generell etwas Wehmut erzeugen? Da soll es nicht unbedingt schöne Erinnerungen geben?
HARALD SERAFIN: Ja, mein eigener Vater war ziemlich „unlieb“ zu mir. Ich habe mir immer einen Vater gewünscht, der nahe bei uns ist und der mir seine Liebe zeigt. Das war leider nicht der Fall. Doch bei vielen Frauen galt er als „toller Bursche“. Daher ließ sich meine Mutter scheiden, als ich acht oder neun Jahre alt war. Ich habe mein ganzes Leben lang damit gehadert, nie einen richtigen Vater gehabt zu haben. Manche väterliche Freunde, die mich sympathisch fanden, waren mein Trost. Der unbeugsame Wille meiner starken Mutter hat mich durch diese schwierige Zeit, in der wir aus Litauen flüchten mussten, getragen.

Sie selbst sind nun zweifacher Vater. Tochter Martina aus der Ehe mit Mirjana Irosch, mittlerweile 50, ist heute ein Opern-Weltstar. Daniel aus der Ehe mit Ihrer „Mausi“ kam, als Sie knapp über 50 und auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere waren. Wollten Sie, in diesem stressigen Beruf, überhaupt Kinder?
HARALD SERAFIN: Zugegebenermaßen zunächst nicht, ich dachte, sie wären für die Karriere ein Hemmschuh, eine Belastung. Damals habe ich nicht geahnt, welche Freude Kinder in den Jahren ihres Aufwachsens bringen können. Ich durfte das erleben. Und „Mausi“ jammert noch heute, dass sie mich nicht zu einem weiteren Kind überreden konnte. Sie hätte so gerne noch eine Tochter gehabt ...

Daniel, was sind denn Ihre ersten Erinnerungen an Ihren Vater?
DANIEL SERAFIN: Die stammen aus der Zeit, als wir noch in einem Haus in Wien/Dornbach wohnten. Das Übungszimmer meines Vaters galt als tabu, doch mir gelang es oft, mich reinzuschleichen und unter dem Klavier zu verstecken. Da sah ich, wenn er übte, von unten seine Füße, auf und ab, auf und ab. Es war sehr laut, ich habe gedacht: Mein Gott, der Papa brüllt, und habe mir die Ohren zugehalten. Natürlich hat er mich letztendlich immer entdeckt und, lachend, rausgeworfen.

Liegt man falsch, wenn man annimmt, dass Sie, Harald Serafin, nie wirklich genug Zeit für Ihre Kinder hatten?
HARALD SERAFIN: Da liegen Sie nicht falsch. Als Martina geboren wurde, stand ich in Frankfurt in der „Fledermaus“ auf der Bühne. Der Bühneninspizient kam mit einem Tablett hinter die Kulissen und teilte mir mit: „Es ist ein Mädchen!“ Und als Daniel kam, war ich mit dem Opernball auf US-Tournee. Schwerstarbeit, das war nur ein Vegetieren. Schlafen, essen, singen.

Mit Geiger Julian Rachlin
Mit Geiger Julian Rachlin © KK

Vermutlich hat sich da nicht gleich ein enges Verhältnis entwickelt?
HARALD SERAFIN: Nein. Das lag auch an meinem Wunsch, dass er Sänger werden sollte. Ich habe sozusagen meine Vorstellungen in ihn hineinprojiziert. Das war ein Fehler, und ich brauchte lang, bis ich das begriff. Ich hatte ihm die beste Ausbildung ermöglicht, in New York, Rom und Paris. Ich dachte, man müsse das Material, das er genetisch mitbekommen hatte, forcieren. Dabei war sein tiefster Wunsch, einmal Direktor zu werden. Vielleicht unter dem Vorsatz: Ich möchte das Leben meines Vaters nicht wiederholen. Als er mir mitteilte, dass er den sicher ebenso mühsamen anderen Weg gehen wollte, brauchte ich ungefähr ein Jahr, bis ich mit mir ins Reine kam.
DANIEL SERAFIN: Er war natürlich auch oft auf Reisen, wir konnten wenig miteinander unternehmen, ich war viel allein mit meiner Mutter. Es entwickelte sich eine Art Vater-Sohn-Hassliebe. Vielleicht auch, weil wir einander sehr ähnlich und doch so unterschiedlich waren.

Gab es trotzdem Aktionen von ihm, über die Sie sich sehr gefreut haben?
DANIEL SERAFIN: Ja; das war, als ich vom Österreichischen Kulturforum zu Liederabenden nach New York, Los Angeles und Washington eingeladen war. Mit Liedern von Erich Wolfgang Korngold und Alban Berg. Ein Programm, das fernab von der leichten Muse lag, und das er nicht sehr schätzte, aber mich faszinierte dieses Repertoire. Für mich gibt es keine genrespezifische Musik, sondern nur Musik, die einen bewegt und emotionalisiert, und solche, die einen kaltlässt. Was soll ich sagen? Er war, völlig überraschend, trotzdem angereist, und ich hatte die Chance, ihm meinen Zugang zur Musik zu zeigen. Es war für mich damals ungeheuer wichtig, ihn auf m e i n e Reise mitzunehmen. Diesen Besuch habe ich ihm nie vergessen. 2015 habe ich ihm dann mitgeteilt: „Ich hör’ auf mit dem Gesang!“ Für ihn zunächst völlig unverständlich, für mich aber befreiend. Ich konnte beginnen, m e i n Leben zu leben.

Was halten Sie heute vom damaligen Entschluss Ihres Sohnes?
HARALD SERAFIN: Er hat mein vorheriges Wunschbild überzeugend korrigiert. Ich merke, wie er es als Direktor versteht, Menschen zu behandeln, und mir war klar, dass ich mich ändern musste, um das Vertrauen dieses jungen Mannes zu bekommen. Das ist mit der Zeit geschehen, und ich bedaure, dass bis dahin so viel Investition in Zeit, Geld, Mühe und Sehnsüchte fließen musste. Heute sehe ich: Daniel erkennt die Qualität einer Stimme sofort, er versteht es, in Personen, mit denen er eine Verabredung hat, richtig hineinzukriechen und beweist dabei sehr viel Talent, sein Visavis zu erfragen und zu ergründen, und er ist ein hochbegabter PR-Mensch geworden. Er besitzt eine kolossale Sensibilität und Überzeugungskraft, hat starke Nehmerqualitäten, und nicht nur meine Frau liebt ihn abgöttisch.

Was, Daniel, hat Sie am Vater manchmal besonders „gemagerlt“?
DANIEL SERAFIN: Seine Ansichten über Weg und Ziel, dass er vieles nicht aus anderer Perspektive sehen wollte und konnte. Es gab immer nur seine Wahrheit. Da konnte er sehr stur sein.

Und was schätzen Sie heute besonders an ihm?
DANIEL SERAFIN: Seine unglaubliche Wortgewandtheit, seinen Witz. Er hat eine ganz besondere Gabe, Leute so zu beleidigen, dass sie es ihm nicht übel nehmen können. Diese undiplomatische Art von Humor funktioniert bei ihm, ist sein Aushängeschild geworden. Außerdem bewundere ich, wie aktiv er in seinem Alter noch immer ist.

Gab es bei Daniel schon Gedanken an eine Heirat?

HARALD SERAFIN: Meine Frau redet hin und wieder darüber, aber er sagt: „Was kommt, das kommt, ich habe oft gesehen, wie allein du warst“.

DANIEL SERAFIN: Ich habe da eigentlich keine Vorurteile, und ich sehe an meinen Eltern, wie schön und wertvoll es ist, eine gute Ehe zu führen. Ich hab’ wirklich nichts gegen eine Ehe und Kinder. Es geht einfach nur um den richtigen Zeitpunkt und die richtige Person.

Gibt es noch Erwähnenswertes in Bezug auf die nächste Saison im Steinbruch von St. Margarethen?

DANIEL SERAFIN: Wir holen die „Turandot“ nach, die heuer wegen Corona ausfallen musste, und ich freue mich besonders, dass meine Halbschwester Martina dabei ist. Und vielleicht noch was Interessantes: der Steinbruch ist Naturschutzgebiet, zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wir haben festgestellt, dass bei unseren Feuerwerken Schadstoffe freigesetzt und dann hunderte Meter verstreut herumliegen. Vögel zum Beispiel pieken das auf, mit schlimmen gesundheitlichen Folgen. Es wird daher künftig keine Feuerwerke mehr geben. Die haben eh nichts mit dem jeweiligen Werk zu tun. Statt dessen lassen wir uns ganz besondere Effekte einfallen. Und wie ich höre, soll es auch in Mörbisch mit den Feuerwerken vorbei sein.

Daniel, Ingeborg "Mausi" und Harald Serafin
Daniel, Ingeborg "Mausi" und Harald Serafin © KK

Harald Serafin über seine Beziehung zu seiner Frau:

„Unsere Familie ist ganz besonders während meiner beiden gesundheitlichen Krisen zusammengewachsen. 1989, als ich eine Stimmband-Operation hatte und das Singen vorübergehend aufgeben musste, und vor drei Jahren, als ich eine schwere Lungenentzündung hatte. Ich weiß, da war ich am Abkratzen. Fünf, sechs Ärzte standen ratlos um mich herum und trösteten meine Frau. Doch sie legte sich zu mir, streichelte immer wieder meinen Kopf. Diese Urkraft eines Menschen, mit dem ich mein Leben verbrachte und der mich liebte, hat mich gerettet. Ein großes Glück, dass ich jemanden hatte, der mit mir gemeinsam gegen einen Feind, diese schwere Krankheit, kämpfte. Wir beide haben es geschafft. Sie hat mich aufgebaut und es hat gewirkt. Ich ging nachher auf Kur und zwei Monate zur Psychotherapie, aber ich verdanke es meiner Frau, dass mein Singen, meine Lustigkeit, meine Fröhlichkeit – alles Dinge, die mein Leben bestimmten – zum großen Teil wieder zurückkamen“.

Daniel Serafin über seine Familie:

„Wie schön, dass unsere Beziehung zur vorigen Familie meines Vaters so herzlich ist. Mirjana Irosch, seine frühere Frau, ist wie eine Tante zu mir, und mit meiner Halbschwester Martina bin ich sowieso ein Herz und eine Seele. Und so intensiv, wie jetzt während der Corona-Krise, waren unsere Kontakte überhaupt noch nie“.