Glitzert und funkelt da etwas im Unterholz? Ein kurzer Sprint, eine halbe Kniebeuge, ein schneller Griff – und die zerbeulte Energydrink-Dose ist aus dem Geäst gefudelt und ins mitgebrachte Plastiksackerl gesteckt. Hurtigen Schritts geht es zurück auf die Laufstrecke. Bis zum nächsten Stück Müll, das in der Gegend herumliegt.

Wieder: Hinlaufen. Abbremsen. Runterbücken. Aufklauben. Weiterlaufen.
Das Ganze nennt sich „Plogging“ und beschreibt als sogenanntes „Kofferwort“ den Mix aus dem schwedischen Verb „plocka upp“ (aufheben) und dem englischen „Jogging“. Erfunden haben soll es der Schwede Erik Ahlström. Genervt von vermüllten Parks in Stockholm begann er, mit einem Müllbeutel durch die Anlagen zu joggen und Abfall zu sammeln. Mittlerweile ist es weltweit ein kleiner, aber fester Bestandteil der Laufszene geworden.

Der Vorteil: Man tut seinem Körper durch Sport etwas Gutes und engagiert sich parallel für die Umwelt. Das bringt doppelte Pluspunkte fürs eigene Karma. Aber wie fühlt es sich an, als joggende Müllabfuhr unterwegs zu sein? Und warum fängt man damit an?

Bilanz nach eineinhalb Stunden „Plogging“ am Stadtrand: ein voller 20-Liter-Sack Müll
Bilanz nach eineinhalb Stunden „Plogging“ am Stadtrand: ein voller 20-Liter-Sack Müll © Klaus Höfler

Irgendwann greift man dann zu

„Plogging“ kann Resultat von mehreren „Irgendwann“-Faktoren sein: Irgendwann beginnen einen die achtlos aus Autofenstern geworfenen oder beim Spazierengehen fallen gelassenen Glasflaschen, Getränkedosen, FFP2-Masken, Zigarettenstummel, Plastikverpackungen oder Papiertaschentücher entlang von Wegen und Straßen oder im Wald zu stören. Irgendwann liest oder hört man von Laufrunden, die sich regelmäßig zu „Plogging“-Einsätzen treffen. Irgendwann nimmt man dann selbst einen Müllsack und Handschuhe mit auf die Laufrunde. Irgendwann verflüchtigen sich Zweifel und Fragen, warum man eigentlich den von anderen in freier Wildbahn entsorgten Abfall aufklauben soll. Irgendwann überkommt einen sogar ein „Spürhund-Syndrom“, um ja nichts zu übersehen. Irgendwann fühlt es sich richtig gut an, wenn man am Zielort die Fundstücke in die dafür vorgesehenen Tonnen versenken kann. Irgendwann gefällt man sich als „Plogger“.

Der Mehrwert des Sports

Und was bringt es sportlich? Na ja. Man kann sich den Stop&Go-Modus zwar als Intervalltraining schönreden, das Bücken und Beugen zum vielseitigen Ganzkörper-Workout hochjubeln und sich über die familientaugliche Tempowahl freuen. Tatsächlich bleibt der sportliche Mehrwert im Vergleich zu normalem Laufen aber überschaubar. Das Tempo beim „Plogging“ ist zu unstet, etwaige Sprints zwischen den Fundstücken meist zu kurz, das Gewicht der aufgehobenen Sachen zu gering und die Kniebeugen und Dehnbewegungen zu flüchtig. Selbst integrierte Kraft- oder Balanceübungen mit weggestreckten Armen oder Beinen sind eher Geschicklichkeitstests. Unbestritten ist aber die positive psychologische Wirkung: Bei allem Ärger über „Täter“ fühlt es sich gut an, etwas Gutes getan zu haben.

Dieser Mehrwert des Sports wirkt inspirierend. So wird am 28. Mai, dem „World Plogging Day“, weltweit „geploggt“ – in Österreich beispielsweise in Wien, Salzburg, Bad Kleinkirchheim, Wolfsberg und Krieglach.
Ausreden gibt es fast keine. Denn wem das Joggen generell zu anstrengend ist, der kann auf Varianten wie „Plalking“, „Pliking“ oder „Plycling“ ausweichen. Dabei wird Müllaufsammeln mit dem Spazierengehen, Wandern oder Radfahren kombiniert.