Das versteht man also unter der Floskel „Da liegen Welten dazwischen“: Am 16. Juli 2010 postet Kevin Systrom, Mitbegründer von Instagram, ein Foto. Es zeigt einen halben Fuß und einen Hund. Unter jeglicher Sau, das Bild, würden Instagram-Experten heute sagen. Das Bild war nicht mehr als ein Test, drei Monate später sollte das Social-Media-Portal Instagram online gehen - und vielleicht die Welt verändern.

Keine neun Jahre später sitzt der Fußballer Franck Ribéry beim Essen und versteht die Welt nicht mehr, denn von einer Sekunde auf die andere oder anders gesagt innerhalb eines Bild-Uploads erfährt er einen dramatischen Liebesentzug. Er, dem die Herzen auf Instagram für gewöhnlich in Hunderttausenderpaketen zufliegen, wird geschmäht. Es ist die Höchststrafe, die Rote Karte, der Ausschluss.

Die Geschichte ist bekannt, sie hat die Welt in Schnappatmung versetzt: Franck Ribéry war essen, und zwar nicht irgendwo, sondern in einem Lokal des türkischen Fleischers Nusret Gökçe, der selbst 2017 durch ein Video auf Instagram weltberühmt wurde: Darin salzt er exzentrisch ein Steak. Eine Geschichte, die klingt, als könnte man aus Stroh Gold spinnen. So falsch ist das nicht, denn Franck Ribéry hat bei Gökçe das Aushängeschild verspeist: ein Steak, eingehüllt in Blattgold.

Das Bild ging um die Welt und die hängte sich aus: dekadent, protzig, völlig unnötig. Ribéry spuckte verbal zurück und zahlt dafür ein Bußgeld. Diese Begebenheit mag die Champions League der Prahlerei sein, doch auf Instagram ist sie Alltag. „Instagram ist ja mehr oder weniger fast dafür geschaffen, um zu prahlen. Es verführt zum Prahlen und weckt damit auch Neid“, so der Psychologie Ulf Lukan, der sich unter anderem der Neidforschung verschrieben hat. Neid, ein Gefühl, das es in allen Kulturkreisen gibt, ist in erster Linie eine Frage der eigenen Persönlichkeit, so Lukan: „Es ist eine Unfähigkeit, sich selbst zufrieden und glücklich zu fühlen, die dann zum Neid führt.“ Dabei gehe es gar nicht um das Auto oder die tolle Reise an sich, sondern um das zugeschriebene Glücksgefühl, das durch diese Dinge ausgelöst werden kann. Es folgt ein trügerischer Umkehrschluss, so Lukan: „Wenn ich vielleicht auch das Auto hätte, vielleicht könnte ich dann auch glücklich sein?“

Am 20. Juni 2018 hat Instagram die Marke geknackt und eine Milliarde Follower verkündet. In Österreich nutzen über zwei Millionen Menschen den Dienst - Tendenz steigend. Im Gegensatz zu Facebook oder Twitter ist Instagram kein Ort des Diskurses. War auch nie so gedacht. Als Instagram gegründet wurde, war die Intention dahinter, eine Plattform für kreative Menschen zu schaffen. Unlängst hat Gregor Hochmuth, einer der ganz frühen Mitentwickler von Instagram, in der „Süddeutschen Zeitung“ einen Einblick in diese frühe Zeit gegeben: Neben Programmierern gab es auch Kuratoren, die kreative Inhalte nach vorne reihten. 2012 wurde die Plattform von Facebook gekauft und mausert sich seitdem zur Cashcow. Kein Wunder, die Plattform ist ein Paradies für Werbung, ein Schlaraffenland für Blogger und bezahlte Produktwerbungen. Instagram - nicht mehr als eine Plakatwand, die den schönen Schein nach außen trägt?

Psychologe Ulf Lukan
Psychologe Ulf Lukan © Peter Brand

Zum Teil ja, vor allem was das Thema Emotionen betrifft, wie auch Ulf Lukan kritisiert: „In dieser distanzierten Form wie auf Instagram ist ein Miterleben nicht möglich. Es ist etwas ganz anderes, ob ich jemandem von etwas erzähle - mit der ganzen Körpersprache, wo ein Miterleben möglich ist. Wenn sich jemand mitfreut, wenn man was erlebt hat.“ Es geht die verbindende emotionale Geschichte verloren und man beginnt zu vergleichen - was habe ich, was die anderen? „Es wird gemessen, ein unpersönliches Werten, und das hat natürlich eine negative Auswirkung“, so Lukan. Doch der Neidexperte bremst auch ein: Neid muss nicht immer nur negativ sein, er könne auch ein Ansporn sein.

Eines findet Lukan jedoch bedenklich. Es ist kein Zufall, dass das Wort „Neidgesellschaft“ in den letzten Jahren oft zitiert wird: „Ja, das hat unheimlich zugenommen.“ Wobei er hier korrigiert, denn mit Neid im klassischen Sinn hat das nichts zu tun. Schon gar nicht mit Wohlstand, im Gegenteil, wie er die Debatte um die Mindestsicherung anspricht: „Das sind Abgrenzungsbedürfnisse. Man schützt sich in der eigenen Klasse. Wenn jemand arbeitslos ist, darf er nicht an mich, der fleißig arbeitet, herankommen. Wenn jeder x-Beliebige meinen Status einnehmen kann, geht dieser verloren. Somit muss der Abstand gewahrt werden. Mit dem Wohlstand nimmt das nicht ab.“

Ob hier ein Umdenken möglich ist? Zumindest ein Rezept gibt es, so Lukan: „Es geht darum, zu lernen, mit der Begrenztheit des Lebens glücklich zu werden.“ Ob das auch im unbegrenzten Raum des World Wide Web gelingen kann?