Das Spiel ähnelt jenem an einem Taxistand – der erste Fiaker in der Reihe bedient als nächster. Touristen strömen zu den Pferden, um Erinnerungsfotos zu schießen, das Fell der Urlaubsmotive ist sauber gestriegelt. Schimmel mit gelbem Stoff über den Ohren stehen neben Rappen, die dasselbe Accessoire in royalem Blau tragen. Scheuklappen sieht man bei allen von ihnen. Der Himmel ist bedeckt und nur wenige Sonnenstrahlen kitzeln die Nüstern der Tiere, die paarweise vor offene Wagen gespannt sind. An ihrer Seite stehen Kutscher mit schwarzen Melonen auf den Köpfen. „Man hat es uns gründlich vergällt“, meint Toni Komarek. Der 52 Jahre alte Wiener fuhr im Jahr 1989 erstmals mit seinem Fiaker durch die Gassen. Einst seien die Menschen den Kutschern stets mit Respekt begegnet. Man rückte die sorgsam gebundene Krawatte zurecht, trug seinen Anzug mit Stolz und wurde von allen freundlich gegrüßt, erinnert sich Komarek.

Heute habe man es nicht nur mit Anfeindungen von Tierschützern zu tun. Statt eines herzlichen Grußes schallt harsche Kritik hinauf auf den Kutschbock, der Ton sei insgesamt rauer geworden. Ob Autofahrer oder Fußgänger, die Mehrheit wolle keine Fiaker mehr. Toni Komarek fährt einige Meter weiter nach vorne, die Hufe der Pferde auf dem Kopfsteinpflaster erzeugen das rhythmische Klappern, das seit mehreren hundert Jahren durch die Wiener Innenstadt hallt. Sein Fiaker ist nun der erste in der Schlange, steht direkt neben dem Haupteingang des Stephansdoms. Hier wartet das Gespann auf Touristen, die sich von zwei Pferdestärken durch Wien kutschieren und die Stadt erklären lassen wollen.

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Den Touristen Wien näherzubringen, ist für Komareks Kollegin Tamara Burger das Zentrale an ihrem Beruf. Ihr Fiakerdasein begann als Studentenjob, im vergangenen Jahr machte sie schließlich die Ausbildung zur Fremdenführerin. Sollte die Ära der Fiaker tatsächlich zu Ende gehen, ist es ihrer Ansicht nach reinem Unwissen und politischem Taktieren geschuldet. Statt sich damit zu beschäftigen, dass ihre Pferde zu den am besten kontrollierten Tieren in Österreich zählen, würden Emotionen geschürt. „Da werden Propagandamechanismen angewandt.“ Schon lange verfolge die Politik den Plan, das „Relikt aus vergangenen Zeiten“ zu beseitigen.

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Insgesamt 116 Platzkarten für Fiaker gibt es aktuell. Eindeutig zu viele, urteilt die Bezirksvertretung der Inneren Stadt und zieht neben einer Reduktion der Karten auch ein gänzliches Aus der Kutschen in Erwägung. Auslöser für ein neuerliches Aufflammen der Debatte war eine Petition des „Vereins gegen Tierfabriken“ unter dem Titel „Pferde raus aus der Stadt“. Nachdem rund tausend Unterschriften gesammelt werden konnten, muss das Thema im Petitionsausschuss des Gemeindeamtes behandelt werden. 750.000 Euro Schaden würden die Hufe der Tiere jährlich anrichten, rechnen Gegner vor. Daneben seien, trotz der Einführung sogenannter Pooh-Bags, auch Pferdeäpfel ein anhaltendes Problem. Hinzu kommt der tierschutzrechtliche Aspekt. Die aktuelle Diskussion rund um das Ende der Fiaker beeindruckt Toni Komarek wenig. Entgegen den Vorwürfen stelle Verschmutzung durch Pferdemist kein großes Problem mehr dar und die Abnutzung der Straßen könne man schwer allein den Fiakern anlasten. Kaum ein Punkt sei neu, keine Stellungnahme käme überraschend. Die Zeichen seien schon seit Jahren eindeutig und all jene, die diese Entwicklung haben kommen sehen, hätten Vorkehrungen getroffen.

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Egal, was Politiker auch künftig beschließen mögen, dies ist die letzte Saison für Toni Komarek. Sein neuer Job hat wieder mit Pferden zu tun: „Einmal Pferd, immer Pferd“, lacht Komarek, während er das Fell seines Schimmels tätschelt. Im Gegensatz zu seinen Kollegen war Fiaker Sinan Öksüz überrascht von dem Ernst, mit dem die Debatte um ein Aus der Kutschen aktuell wieder geführt wird. Er sieht seine Existenz bedroht.
Von der Tragweite der Stellplatzproblematik habe er erst durch das Statement der Bezirksvorstehung erfahren. Öksüz gehört zu den jüngeren Kutschern am Stephansplatz, mit einer verspiegelten Sonnenbrille auf der Nase und Schnurkrawatte um den Hals wartet er auf Kundschaft. Seit nunmehr acht Jahren sitzt Öksüz am Kutschbock. Rund ein Jahr nachdem er das erste Mal Touristen chauffieren durfte, wurde er selbst zum Fahrgast – bei einem Aufenthalt in Barcelona wollte er seine Arbeit einmal aus einer anderen Perspektive erleben. Sich in einer offenen Kutsche sitzend über die berühmte „Las Ramblas“ kutschieren lassen.

Zuvor hatte er allerdings gezögert: „Das waren Tiere, die wirklich ausgebeutet wurden.“ Anders als die engmaschig kontrollierten Pferde in Wien seien jene in Spanien in schlechter Verfassung gewesen. Auf das Leid der Tiere angesprochen, habe der Kutscher nur mit den Schultern gezuckt. Die Pferdekutschen von Barcelona wurden vor rund einem Jahr verboten. An Zügeln und Geschirr zieht Sinan Öksüz sein Gespann ein Stück weiter das Pflaster entlang. Man könne die beiden Fälle nicht vergleichen. Den Wiener Pferden gehe es gut.