"Hat dich der Karst einmal vereinnahmt, lässt er dich nicht mehr los!“ So sagt man – und so ist es. Mag auch die spröde, steinige, von der rauen Bora oftmals durchpeitschte Landschaft auf den ersten Blick nicht überzeugen, auf den zweiten allerdings ist Liebe auf Lebenszeit garantiert.

Woran das liegt? Es sind die Naturwunder der unzähligen Karsthöhlen, Schluchten und mystischen Dolinen, geformt über Millionen Jahre durch unterirdische Wasserläufe. Es sind die Naturschätze, die nicht nur ein grünes Meer an Wildkräutern, sondern vor allem auch kostbare Reben wie Malvasia, Teran oder Vitovska hervorbringen, deren edle Tropfen köstlich zum Prosciutto in den traditionellen „Osmizzen“ (Buschenschanken) passen. Und es sind die Menschen in den kleinen, stillen, alten Karstdörfern, die mit ihrer Herzlichkeit, Authentizität und ihrem geerdeten Charme vereinnahmen.

Die Wallfahrtskirche von Monrupino
Die Wallfahrtskirche von Monrupino © Alessandro Laporta/stock.adobe.com (Photographer: FotoCesco feat. La)

Jetzt im Herbst sind es auch die von Steinen pittoresk gesäumten Wanderwege, die dem Naturschauspiel der in allen Gelb- und Rottönen „brennenden“ Fauna eine beeindruckende Bühne bieten. Das Netz der Wege ist groß, genauso wie die Auswahl attraktiver Plätze, die es über diese zu erobern gilt.

Der wohl bekannteste ist der Rilkeweg zwischen dem romantischen Schloss Duino und Sistiana. „Hier zu sein, ist wunderschön“, schrieb der große Literat und sog vor Ort die Inspiration für seine „Duineser Elegien“ ein.

Will man etwas abseits der Touristen bleiben, aber es mindestens genauso wunderschön haben, findet man sein Panoramaglück entlang des Grats der Steilküste auf dem „Salbeiweg“ ab Aurisina. Auch der Endpunkt der Tour – Park und Schloss Miramare – garantiert dank des Habsburg-Bauherrn Erzherzog Ferdinand Maximilian bekanntlich wahrlich Schönes.

Ein spektakuläres Aussichtsszenario bietet die „Strada Napoleonica“: Einst wollte der spätere französische Kaiser damit das Dorf Prosecco mit Opicina für seine Truppen verbinden, noch heute sei ihm für diese rund vier Kilometer lange Höhenpromenade gedankt.

Der Skulpturenpark von Robin Soave
Der Skulpturenpark von Robin Soave © RRK

Als einzigartiges Naturphänomen direkt auf dem Alpe-Adria-Trail unweit des Dorfes San Giovanni treten drei Karstquellen scheinbar aus dem Nichts hervor, um als kürzester Fluss der Welt bereits nach zwei Kilometern in die Bucht von Triest zu münden. Der Mystik nicht genug: An dieser einst antiken Kultstätte soll der Legende nach der Eingang in Dantes berühmte Unterwelten gewesen sein. Über all das lässt sich hier im Kirchlein mit seinen frühchristlichen Mosaiken sinnieren.

Entlang desselben Trails auf Höhe des Dorfes Contovello entdeckt man mit etwas Aufmerksamkeit den leicht versteckten Skulpturengarten von Robin Soave. Er hat sich in seinem weitläufigen Arbeitsparadies seit 30 Jahren dem Steinreichtum verschrieben. Seine Figuren aus hiesigem Karstkalkstein oder Marmor von Aurisina bis Carrara sind unter freiem Himmel zu bewundern und auch zu erstehen.

Das Karsthaus in Repen
Das Karsthaus in Repen © RRK

Karstgefühl pur mit Segen von oben kommt nahe dem Gemina-Wanderweg beim Wallfahrtskirchlein Beata Vergine Assunta auf, das romantisch auf einem wunderbaren Aussichtshügel nahe der slowenischen Grenze thront. Ist es die Stille, die Urtümlichkeit oder der weite Blick über das Land? Was auch immer, man will hier einfach nur verweilen – gäbe es nicht noch so viel anderes Interessantes zu erkunden: zum Beispiel das nahe gelegene „Karsthaus“ in Repen, das als Originalbau um 1830 ins Alltagsleben der Karstbewohner vor knapp 200 Jahren einlädt.

Schließlich wird es Zeit, ein Glaserl „Neuen Teran“ in einer der einladenden Osmizzen auf den schönen Karst zu erheben. Da mögen trotz Spätherbst Frühlingsgefühle aufkommen. Auf die Liebe zu diesem Erdenplatz kann man getrost anstoßen.

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