7 Uhr Früh, die Sonne knallt vom Himmel und Hugo liest die Wüstenzeitung. Er sucht nach Spuren, die Tiere über Nacht im Sand hinterlassen haben. „75 Prozent der Lebewesen sind hier nur im Dunkeln unterwegs“, erklärt er, während Sally auf seinem Arm landet. Sally, das ist ein 830 Gramm schwerer Bussard. Sie fliegt immer nur ein Stück voraus und dann zu Hugo zurück. Nicht unbedingt, weil sie ihn so sehr mag, sondern einfach, weil er ihr Hühnerfleisch verfüttert. „Für sie ist das der einfachste Weg zu einer Mahlzeit. Bussarde sind sonst nicht sehr anhänglich“, sagt Hugo und gibt Sally ein schnelles Bussi auf den Rücken.

Früher waren die Beduinen auf die Vögel angewiesen, um Essen auf den Tisch zu bekommen. Die Menschen schickten die „Wölfe der Lüfte“ zum Jagen in die Wüste los.

Zwischen Wüste und Wolkenkratzern

Heute gibt es in Dubai keine Beduinen mehr. Nur etwa eine Stunde Autofahrt entfernt, steht mit dem 828 Meter hohen Burj Khalifa der höchste Wolkenkratzer der Welt. Man muss den Hals überstrecken, um seine Spitze zu sehen. Es scheint, als ob sie die Wolken berührt. Hoch hinaus wollen in der 3,3-Millionen-Einwohner-Stadt auch die Investorinnen und Influencer. Dubai, das ist mit seinen Luxusläden und der Befreiung von Steuern der Inbegriff von Bling-Bling.

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Selbst in der Wüste steht das Luxus-Appartement für gestresste Europäer, Amerikaner oder Asiaten bereit. Im Al-Maha-Resort befreit ein Mitarbeiter den Infinity-Pool vom feinen Sand. Das Türkis vor dem Beige der Dünen wirkt surreal. Wie tief man graben musste, um das Wasser aus Wüstenlöchern zu pumpen, wird nicht verraten. „Unsere Gäste schätzen es, im Wasser zu entspannen und sich höchstens von einer Gazelle stören zu lassen“, erzählt der Chef. Auch im Spa mit Feigenscrub-Behandlung und Sauna (in der Wüste!) sind alle stets darauf bedacht, zu bieten, was „insta- gramable“ ist.

Luxusleben selbst in der Wüste: Im Pool wird man höchstens von einer Gazelle gestört

Hugo und seine Chefs Pete und Rob von „Sand Sherpa“ verfolgen im selben Naturschutzgebiet einen anderen Ansatz. Fünf Prozent von Dubais Landfläche macht die Desert Conservation Reserve hinter dem grünen Stacheldrahtzaun aus, die Dünen sind grün gefleckt durch Sträucher und Bäume. In einem Besucherzentrum erzählt ein arabischer Hase aus Kunststoff von der Wüste. Von den 130 verschiedenen Vogel- und den 270 Insektenarten zum Beispiel oder dem Nationaltier, der weißen Oryxantilope, die bis in die 1970er noch gejagt wurde.

Pete und Rob sind nicht in Dubai geboren, aber hier aufgewachsen. „Als die Wüste noch direkt vor der Tür war“, erzählt Pete. Im Besucherzentrum dürfen sie mit ihrem Unternehmen Schulklassen und Gäste empfangen. Der größere Teil der Aufklärungsarbeit, die sie leisten wollen, sind die zwölf Campingzelte auf Autoanhängern.

Sandstaub wirbelt auf, mit zwei umfunktionierten Pinzgauern fahren Pete und Rob ihre Gäste mitten in die Wüste. Die Zeltanhänger stehen dort schon bereit, genauso wie Drei-Stein-Feuerstellen, Campingstühle, Dusche und Toilette. Dann das volle Wüstenprogramm: Die Falken, Bussarde und Eule fliegen, aus dem Feuerstein sprüht ein Funken, am Abend scheint die UV-Taschenlampe auf die Rücken von Skorpionen, in der Früh reißt einen das Tiergekreisch aus dem Zelt ­- ja, die Wüste kann ohrenbetäubend laut sein.

Das Team von „Sand Sherpa“ will zeigen, „woher Dubai kommt, was es einmal war, zum Teil immer noch ist und wie die Nomaden nachhaltig mit der Natur umgegangen sind“. Das Reservat ist das erste dieser Art im modernen Dubai, seit 1999 existiert es und das nur, weil es die Al-Maktoum-Herrscherfamilie gut gemeint hat. Vieles in Dubai ist von der Gunst der Scheichs abhängig. So schlängelt sich etwa eine 80 Kilometer lange Mountainbike-Strecke durch das Reservat, weil einer der Scheichsöhne begeisterter Radfahrer ist.

Die Geschichte der Familie reicht weit zurück, weiß Sophie vom Al Shindagha Museum. Sie führt durch die vielen kleinen Häuschen am Fluss, der die Stadt teilt, und erzählt vom kleinen Fischerdorf, von Perlentauchern, von Handelsschiffen und schließlich der Entdeckung des Öls in den 1960ern.

Wenige Emirati, viele Expats

Emirati gibt es in Dubai heute fast keine mehr, rund 90 Prozent der Menschen, die hier leben, sind Ausländer. So wie Linda. Die gebürtige Deutsche hat als Managerin in einem Luxushotel in den Emiraten gearbeitet, dann kam Corona und die 33-Jährige entdeckte auf einem Kamelrücken die Wüste. Sie beschloss, eine Reitschule, das Arabian Desert Camel Riding Center, aufzubauen. „Festhalten und zurücklehnen“, mahnt sie. Schwankend erhebt sich das Wüstenschiff namens Faris.

Linda ist die erste Frau, die bei einem Kamelrennen angetreten ist
Linda ist die erste Frau, die bei einem Kamelrennen angetreten ist © Stockhammer

Kamelreiten und vor allem die Kamelrennen sind in Dubai beliebte Sportarten. Kamele können bis zu 65 Kilometer pro Stunde schnell laufen, ein fittes Tier kostet rund 10.000 Euro. Lange haben den Kamelsport nur Männer ausgeübt. Linda ist als erste Frau bei einem größeren Rennen angetreten und hat dann prompt Dubais erstes Frauenteam fürs Kamelreiten aufgestellt. Auch Emirati-Frauen hat sie so erreichen und zu sich in die Reitschule holen können, sonst bleiben die Emirati eher für sich, ist Lindas Eindruck.

Im Bauch der Stadt

Zurück in der Stadt: Dubai ist schwer zu fassen. Je nachdem, in welches Viertel man geht, sieht es anders aus, alte Gebäude neben neuen, verschleierte Menschen neben spärlich bekleideten, Kultur neben Supermodernität. Farida hat die Hochhäuser aus dem Boden schießen sehen. Sie ist in Dubai aufgewachsen und hat gemeinsam mit ihrer Schwester Arca die Frying Pan Tours gegründet, kulinarische Touren zu versteckten, authentischen Lokalen, Imbissen und den arabischen Märkten, den Souks.

Die Schwestern gehören damit auch zu jenen, die zeigen wollen, dass Dubai mehr als Bling-Bling ist. „Dubai hat sich rasend schnell verändert“, sagt Farida nachdenklich. Man merkt ihr an, dass es nicht immer einfach ist, mitanzusehen, wie die Gegensätze mehr und mehr werden.

Ihre kleine Gruppe führt sie zu einem überdachten Gastgarten vor einem Restaurant. Flinke Mitarbeiter teilen kleine Stückchen des käsig-fasrigen arabischen Desserts Kunafa aus. Der erste Bissen fegt den Kopf leer, kurz ist völlig egal, in welch ungreifbaren Land man gelandet ist.