„Feststellung einer Übertretung der Strassenverkehrordung“ stand in perfektem Deutsch auf dem "Vorhaltungsprotokoll" der „Comune Di Latisana Polizia Locale Intercomunale“, mit dem ihr mitgeteilt wurde, dass sie in ihrem Vorjahresurlaub an der Oberen Adria einmal mit 110 statt der vorgeschriebenen Maximalgeschwindigkeit von 90 km/h „geblitzt“ wurde. Das geforderte Bußgeld: entweder 68,35 Euro bei Bezahlung binnen 5 Tagen, 80,95 Euro bei einer Zahlung binnen 60 Tagen nach Erhalt dieses Bescheides oder 125,45 Euro bei noch späterer Bezahlung. Unsere Leserin hielt das Schreiben zunächst einmal für einen schlechten Scherz. „Ich bin mir sicher, dass ich an dem Tag im Urlaub gar nicht mit dem Auto gefahren bin“, sagt sie und hat auch so ihre Zweifel, ob das „Informationsbüro“  Nivi SpA, an das sie für nähere Auskünfte zum Bescheid verwiesen wurde, überhaupt wirklich existiert. Außerdem: "Ist das Vergehen nicht schon verjährt?" Wir haben dazu die  Juristin Gabriele Zöscher vom ÖAMTC befragt. Sie sagt: „Ob ihre Leserin zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich, wie dem Vorhaltungsprotokoll zu entnehmen ist, mit ihrem Auto auf besagtem Straßenabschnitt unterwegs war und dabei die Höchstgeschwindigkeit überschritt, kann von uns natürlich nicht überprüft werden. Aber soviel sei gesagt: Die  italienischen Behörden beauftragen seit Jahren das Inkassobüro namens EMO Nivi (Nivi S.p.A) damit, Verwaltungsstrafen einzufordern.“ Sollte unsere Leserin gegen dieses Vorhaltungsprotokoll vorgehen wollen (weil sie sich sicher ist, zu Unrecht beschuldigt zu werden), muss sie, wie Zöscher betont, binnen 60 Tagen ab Zustellung einen Einspruch beim Präfekten in Udine einbringen. „Wobei dieser Einspruch in italienischer Sprache abgefasst und eingeschrieben mit Rückschein geschickt werden muss. Und sollte dem Einspruch nicht stattgegeben werden, wird die Strafe erhöht!“

Sollte unsere Leserin keinen Einspruch einbringen und auch die Strafe nicht bezahlen, ist Folgendes zu beachten: „Offene Strafen aus dem EU-Ausland können auch in Österreich zwangsweise eingetrieben werden, wenn die Kosten mindestens 70 Euro betragen - mit Deutschland können auch deutlich niedrigere Beträge vollstreckt werden“, erklärt die Juristin und warnt: „Ausländische Strafzettel keinesfalls ignoriert werden. Auch bei der Wiedereinreise in das Urlaubsland ist die Einforderung der Strafe möglich.“

Verjährung? Leider nicht.

Auch zu einer etwaigen Verfolgungsverjährung hat Zöscher schlechte Nachrichten für unsere Leserin:  „Entscheidend für eine fristgemäße Zustellung innerhalb von 360 Tagen an Personen mit Auslandswohnsitz durch die Behörden ist das Datum der Übergabe an die Post und nicht, wann das Schreiben an den Empfänger zugestellt worden ist. Wenn daher das gegenständliche Vorhaltungsprotokoll noch innerhalb der 360-Tage-Frist der Post übergeben worden ist, ist die Strafe nicht verjährt.“ Außerdem  gelte auch in Italien eine Corona-bedingte Fristhemmung von knapp  drei  Monaten: „Das heißt, dass die Verfolgungsverjährung im konkreten Fall sicher noch nicht eingetreten ist!“