Ein Tag am Meer ist ein sinnliches Erlebnis: warme Sonnenstrahlen kitzeln auf der Haut, Wasser umspült die Zehen und auf der Fahrt nach Hause reibt Sand im Turnschuh. Solche Erlebnisse schreiben sich ins Gedächtnis. Selbst, wenn sich der Herbst längst von seiner nassgrauen Seite präsentiert, wissen wir immer noch ganz genau, wie sich all diese Dinge anfühlen.

Möglich macht das unser sogenanntes Körpergedächtnis. Neurobiologin Esther Kühn von der Medizinischen Fakultät der Otto von Guericke Universität Magdeburg erklärt: „Im Körpergedächtnis werden alle körperlichen Erfahrungen, an die wir uns erinnern können und die unser Verhalten im täglichen Leben beeinflussen, gespeichert. Aus diesem Pool an Erinnerungen bilden wir im Laufe der Zeit eine gewisse Intuition, die unter anderem bei der Gefahrenabwehr und dem Überleben hilft. Vereinfacht gesagt: Der Körper ordnet ein, was sich gut und was sich schlecht anfühlt.

Gespeicherte Berührungen

Das große Sammeln von Erfahrungen fängt schon mit kleinen Dingen im Alltag an. Etwa, wie sich das Holz eines Tisches anfühlt, an dem man vor vier Wochen Kaffee getrunken hat. Körperliche Erinnerungen hängen in manchen Fällen auch mit Emotionen zusammen. Dabei geht es schöne um Dinge wie: Berührungen, die uns gefallen haben – die Umarmung eines lieben Freundes zum Beispiel. Oder schmerzhafte Erfahrungen wie ein Stromschlag oder der Griff auf die heiße Herdplatte.

Angstreaktionen enstehen

Viele Aspekte nicht erforscht

Dass Zeichen oft falsch gedeutet werden, hat vor allem einen Grund: Beim Körpergedächtnis handelt es sich um ein Forschungsfeld, dass in weiten Teilen noch im Dunkeln liegt. Wie genau unser Körpergedächtnis funktioniert, ist also noch wenig erforscht. Esther Kühn möchte das ändern. Für ihre Arbeit auf diesem Gebiet ist sie kürzlich mit dem „ERC Starting Grant“ ausgezeichnet worden. Das ist der wichtigste europäische Forschungspreis für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Kühn möchte vor allem die Frage klären, wie die Erinnerungen im Körpergedächtnis zustande kommen. Ausgehend von dieser Erkenntnis könnte man zum Beispiel eine neue Therapieform entwickeln. Schmerzbetroffenen könnte geholfen werden, indem man bestimmte Körperteile, die mit negativen Erinnerungen besetzt sind, mit neuen und vor allem positiven Erinnerungen in Verbindung bringt. „Dabei geht es ganz klar um Prävention und darum Menschen aufzufangen, bevor sich ihr Leid verschlimmert“, sagt die Expertin.

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