Erkenntnis 1: Patienten, die zunächst stabil scheinen, können sich schlagartig verschlechtern.

Robert Krause, Leiter der Abteilung für Infektiologie an der Med Uni Graz, betreut Covid-19-Patienten in Graz und berichtet von Patienten, die mit den typischen Symptomen ins Krankenhaus kommen – Fieber, trockener Husten, Atemnot, in der Bildgebung zeigt sich dann, dass es bereits zu einer Entzündung in der Lunge gekommen ist.

„Bei manchen dieser Patienten kann es passieren, dass es innerhalb weniger Stunden zu einer massiven Verschlechterung des Zustands kommt“, sagt Krause. Das bestätigt auch der Intensivmediziner Walter Hasibeder vom Krankenhaus Zams: „So eine Erkrankung habe ich noch nicht erlebt: Zuerst scheinen Patienten sehr gut auf die Behandlung anzusprechen, doch sie können innerhalb weniger Stunden so schwer krank sein, dass sie intubiert werden müssen.“

Für die Mediziner bedeutet das: Covid-19-Patienten müssen im Krankenhaus sehr gut überwacht werden: „Wir messen ständig den Sauerstoff-Gehalt im Blut, sodass wir schnell reagieren können, falls die Sauerstoffsättigung sinkt“, sagt Krause. Gelingt das rechtzeitig, müsse man nicht gleich intubieren, sondern können die Patienten zuerst über eine dicht sitzende Maske beatmet werden.

Reicht das nicht mehr aus, müssen Patienten intubiert werden – dazu müssen die Betroffenen in den künstlichen Tiefschlaf versetzt werden, denn bei Bewusstsein ist der Beatmungsschlauch in der Luftröhre nicht zu ertragen. Der künstliche Tiefschlaf bringt aber Nachteile mit sich: natürliche Reflexe wie der Hustenreiz sind stark vermindert bis ausgeschaltet, Schleim kann nicht mehr abgehustet werden, die Muskeln werden schwächer.

Erkenntnis 2: Es kann zwei Erkrankungsgipfel geben.

Der Patient befindet sich eigentlich schon auf dem Weg der Besserung, doch dann kommt es zu einer zweiten Verschlechterung des Verlaufs – auch dieses Phänomen beobachten Krause und andere Mediziner. Das habe damit zu tun, dass die Erkrankung die Lunge stark schädigt und die Sauerstoff-Aufnahme ins Blut daher limitiert ist.

Diese Beobachtung teilt der Lungenspezialist Bernd Lamprecht (Kepler Uniklinikum Linz) auch in Bezug auf Patienten, die zunächst zu Hause in Quarantäne sind. Auch diese Personen mit zuerst milden Verläufen - also etwas Husten und Fieber -, zu denen der Lungenspezialist in häuslicher Quarantäne nur telefonisch Kontakt gehalten hat, können nach fünf bis sieben Tagen eine Verschlechterung erleben. "Die Erkrankung wurde also nicht schrittweise besser, wie etwa bei grippalen Infekten", so Lamprecht. Zuerst stellte sich Atemnot bei körperlicher Betätigung und dann auch bei Ruhe und geringer Belastung ein. Das sei dann einerseits "beängstigend" und ein Anzeichen, dass medizinische Unterstützung benötigt wird und etwa Sauerstoff zugeführt werden sollte. 

Erkenntnis 3: Covid-19 kann eine langwierige Erkrankung sein.

Daten aus China zeigen: 80 Prozent der Covid-19-Fälle verlaufen mild bis moderat, 20 Prozent aber so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Fünf Prozent brauchen die Betreuung auf der Intensivstation. Laut einer Studie dauert es im Schnitt 24,7 Tagevom Symptombeginn an bis Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden können. Damit ein Patient entlassen wird, muss er mindestens 48 Stunden ohne Symptome sein.

Das deutsche Robert-Koch-Institut gibt an, dass Patienten, die nicht auf der Intensivstation behandelt werden müssen, etwa 14 Tage im Krankenhaus sind, bis sie wieder gesund sind. Und auch bei den milden Fällen, die sich zu Hause auskurieren können, dauert die Erkrankung bis zu zehn Tage, sagt Krause – und damit etwas länger als die Influenza.

Erkenntnis 4: Die Erkrankung läuft auf zwei Etagen.

Das Virus schlägt vor allem in zwei Bereichen zu: in den oberen Atemwegen und in den unteren Atemwegen. Am Beginn, so Krause, sind zunächst die oberen Atemwege betroffen, hier kann es auch zu den typischen Riech- und Geschmacksstörungen kommen, da die Nasennebenhöhlen mitbetroffen sind.

Bei manchen Patienten bleibt es bei diesen Symptomen in der „oberen Etage“, bei anderen wandert die Erkrankung tiefer in die Lunge, was zu einer weit schwereren Erkrankung führt. „Wann und wodurch es zu diesen zwei unterschiedlichen Verläufen kommt, ist noch nicht geklärt“, sagt Krause. „Wir sehen eine große Bandbreite an Symptomen und Verläufen, daher ist es auch schwierig, die Erkrankung im Anfangsstadium zu erkennen.“

Erkenntnis 5: Jung und gesund zu sein, ist keine hundertprozentige Garantie.

"Jung und gesund zu sein, ist keine hunterprozentige Garantie", für einen milden Verlauf, sagt Lungenspezialist Lamprecht.  Neben der viel diskutierten höheren Gefährdung für ältere Personen gebe es durchaus auch jüngere Patienten mit schweren Covid-19-Erkrankungen, sagte Lamprecht. Bisher habe man allerdings "keine schlüssige Antwort, warum auch fitte Menschen ohne Vorerkrankungen schwere Verläufe haben". Wahrscheinlich sei dafür ein ganzes Bündel an Faktoren ausschlaggebend, das zu einer Schwächung des Immunsystems etwa durch "schlummernde Krankheiten" führen kann.

Auch der Grazer Spezialist Krause berichtet: "Wir haben auf den Intensivstationen Menschen mit und ohne Vorerkrankungen. Dass jüngere gesunde Menschen schwer erkranken, sind zwar Einzelfälle, aber das, was aus anderen Ländern berichtet wird, passiert auch bei uns."

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