1 Was genau ist ein Angstpatient?

Grelles Licht, ein kreischender Bohrer, der Speichelsauger zwickt im Mundwinkel: Kaum jemand geht gerne zum Zahnarzt. Angstpatienten sind allerdings so gehemmt, dass ein normaler Zahnarztbesuch unmöglich erscheint. „Wobei Angst ein dehnbarer Begriff ist“, weiß Zahnmediziner Rainer Prugmaier. Die Bandbreite der Beschwerden ist groß: Angespanntheit, Schweißausbrüche, Zittern, Herzrasen oder gar Fluchtverhalten. Diese unentspannte Haltung wird verstärkt, wenn eine Ordination nicht auf Angstpatienten eingestellt ist. Etwa durch volle Wartezimmer, lange Wartezeiten, Hektik, hörbare Geräusche oder einen gestressten Arzt.

2 Welche Probleme haben Betroffene?

Furcht hemmt, weshalb viele nicht einmal den Vorsorgetermin beim Zahnarzt wahrnehmen. Und das über Jahre hinweg. Das lässt sich meistens an den Zähnen der Betroffenen ablesen, oft gleicht das gesamte Gebiss einer Großbaustelle: „Die Mundhygiene ist schlecht, es gibt viele Beläge und Zahnstein bis hin zu Kariesschäden und mehreren Zähnen, die entfernt werden müssen“, so Prugmaier. Die meisten Patienten suchen in der Regel erst dann einen Zahnarzt auf, wenn die Beschwerden unaushaltbar werden. Auch der kosmetische Leidensdruck spielt eine Rolle: „Karies im vorderen Mundbereich schaut ästhetisch nicht schön aus, weshalb sich manche Betroffene nicht einmal mehr trauen zu lachen.“

3 Woher rührt die Angst?

Die Mehrheit von Prugmaiers Patienten berichtet von negativen Erfahrungen in ihrer Kindheit: „Manche hat man mit Zwang auf dem Behandlungsstuhl festgehalten. Andere wurden durch einen schmerzhaften Eingriff nachhaltig geprägt.“ Aber warum eint so viele die schlechte Erfahrung aus Kindheitstagen? In Österreich entwickelt sich die Kinderzahnheilkunde bis heute flächendeckend sehr langsam. Das Problem: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und sollen auch nicht so behandelt werden“, sagt Prugmaier. Das heißt konkret: Es braucht eine andere Umgebung, mehr Einfühlungsvermögen und vor allem Zeit. Dadurch könne man dazu beitragen, Ängste gar nicht erst entstehen zu lassen.

Rainer Prugmaier ist Zahnarzt mit Schwerpunkt Kinderzahnheilkunde
Rainer Prugmaier ist Zahnarzt mit Schwerpunkt Kinderzahnheilkunde © kk

4 Wie hilft man Angstpatienten?

Wichtig ist, dass der Patient einen Zahnarzt aufsucht, der sich auf Angstpatienten spezialisiert hat. Traut sich ein Betroffener in die Ordination, ist der größte Schritt getan. Wichtig ist, dass Sympathie in der Arzt-Patient-Beziehung vorherrscht: „Auch wenn ein Arzt tausend Diplome hat – stimmt die Chemie nicht, hilft nur der Wechsel in eine andere Praxis“, sagt der Experte. Behandelt wird individuell auf den Patienten angepasst: „Etwa wird mit ätherischen Ölen im Wartebereich eine gemütliche Atmosphäre geschaffen.“ Oder mit gezielter Verhaltensführung: Dabei werden sie „in eine andere Welt entführt“, damit die Behandlung zur Nebensache und somit positiv erlebt wird. Auch Lachgas ist eine Möglichkeit, die Wahrnehmung der Behandlung und einen eventuellen Würgereiz herabzusetzen. Wenn aber trotz allem eine Behandlung im Wachzustand nicht möglich ist, stellt der Einsatz einer Intubationsnarkose eine Möglichkeit dar. „Sozusagen um in einer Sitzung reinen Tisch zu machen und möglichst alle Schäden in einem Schritt zu reparieren“, sagt Prugmaier.