Herr Doktor Dornbusch, Sie betreiben als Kinderarzt eine Praxis: Wie oft sind Sie mit besorgten Eltern konfrontiert, die Impfungen ablehnen?

Hans Jürgen Dornbusch: Leider nimmt die Impfskepsis in Österreich zu. Die unbewiesenen Behauptungen, die Impfgegner verbreiten, kosten uns Kinderärzte jeden Tag einen beträchtlichen Teil unserer Ordinationszeit, in der wir verunsicherte Eltern aufklären.

Doch es gibt ja auch Ärzte, die vom Impfen abraten.

Dornbusch: Von mehr als 1500 Kinderärzten in Österreich gibt es vielleicht fünf bis maximal zehn, die impfkritisch sind.

Mit welchen Ängsten kommen Eltern zu Ihnen?

Dornbusch: Vor allem ist es die Angst vor Impfschäden, dabei gibt es pro Jahr maximal zwei bis drei, die nach oft langwierigen Verhandlungen als solche anerkannt werden. Und diese stammen häufig aus einer Zeit, wo Impfstoffe im Einsatz waren, die heute gar nicht mehr verwendet werden. Auch steht das Risiko für einen Impfschaden in keiner Relation zum positiven Nutzen! Bei den Masern bedeutet das: Eines von 1000 Kindern entwickelt durch eine Masernerkrankung eine Gehirnentzündung, die oft zu bleibenden Schäden oder zum Tod führt. Bei der Impfung liegt das Risiko für so eine Nebenwirkung bei eins zu einer Million.

Wie gehen Sie mit impfkritischen Eltern um?

Dornbusch: Man muss mit den Eltern sprechen, erfragen, was ihre Ängste sind, und sie ihnen nehmen. Bei vielen funktioniert das, doch etwa vier Prozent der Bevölkerung sind vehemente Impfgegner. Das kommt einem Glauben gleich, bei diesen Menschen hat man mit rationalen Argumenten keine Chance.

Hans Jürgen Dornbusch, Kinderarzt und Infektiologe
Hans Jürgen Dornbusch, Kinderarzt und Infektiologe © kk

Liegt die wachsende Impfskepsis auch daran, dass man die Krankheiten, vor denen sie schützen, heute kaum noch kennt?

Dornbusch: Ja! Das Problem der Impfungen liegt paradoxerweise in der guten Wirksamkeit: Der Grund, warum überhaupt geimpft wird – nämlich die Erkrankung –, verschwindet aus der Wahrnehmung und dadurch treten mögliche Nebenwirkungen in den Vordergrund. Dann glauben Eltern, sie müssten ihr Kind nicht dem vermeintlichen Risiko einer Impfung aussetzen. Das ist ein gefährlicher Trugschluss.

Ist es nicht die Entscheidung jeder Mutter und jedes Vaters, ob das Kind geimpft werden soll?

Dornbusch: Wer seine Kinder nicht impfen lässt, sorgt auf doppelte Art für Probleme: Das eigene Kind ist nicht vor der Krankheit geschützt und es ist ein potenzieller Überträger. Ein krankes Kind kann ein Baby anstecken, das noch zu jung zum Impfen ist. Dieses Argument öffnet vielen Impfkritikern die Augen.