Was sagen Schulnoten eigentlich aus?

Bernhard Hemetsberger: Sie vermitteln, wie jemand mit den in der Schule vermittelten Denksystemen zurechtkommt. Da spielen soziale Herkunft, Sprachkompetenz und anderes auch eine Rolle. Als objektive Leistungsbeurteilung sind Noten damit aber ungeeignet. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich die Notengebung abspielt: Noten sind viel mehr und gleichzeitig viel weniger als das, was in der Schule stattfindet. Das zeigen beispielsweise Erfolgskarrieren von Schulabbrechern.

Wozu braucht es Schulnoten dann?

Historisch betrachtet haben Schulnoten anfangs der internen Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern gedient – als klassisches Rückmeldungssystem, wie der Lehrer die Arbeit eines Schülers interpretiert. Bereits im 18. Jahrhundert kippte die Notengebung zur Mitteilung des Systems nach außen und wurde beispielsweise für die Vergabe von Lehrstellen relevant. Heute wird diese Selektionsfunktion, wer was wie gut kann, zusehends an außerschulische Institutionen weiterverschoben – zum Beispiel an die Unis oder Assessment- Center von Unternehmen, wo die Eignung für einen Job geprüft wird. Damit kommt es allerdings zu einer Entwertung der Schulleistungen.

Können Noten denn fair sein?

Diese Diskussion geht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Schon damals stellte man sich die Frage, wer eigentlich die bestimmende Instanz ist: die Lehrer auf Basis ihrer Profession oder die bürokratische Ebene mit standardisierten Tests, bei denen die Interaktion zwischen Schülern und Lehrern nicht berücksichtigt werden kann? Die Fairnessfrage ist in beiden Fällen strittig.

Sind verbale Beurteilungen fairer?

Jede Prüfungsart hat eigene Auswirkungen auf die Beurteilung. Das gilt auch für verbale, individuelle Beurteilungen. Wobei es bei uns die klassische österreichische Variante gibt: Verbale Beurteilung mit standardisierten Sätzen. Es herrscht ein Gleichheitsimperativ.
... der auch den Druck auf Lehrer erhöht, die gute Noten vergeben „müssen“, um dem Schüler nichts zu verbauen. Man nennt das „grade inflation“: Es werden zunehmend gute Noten gegeben, um nur ja keinen Ausbildungsweg oder keine Berufskarriere zu verstellen. Aber eine negative Note bedeutet nicht automatisch die Gefährdung eines Lebens. Im Gegenteil: Es könnte auch konstruktiv wirken, wenn diese pädagogisch aufgegriffen werden.