Ich habe den Vatertag nie gefeiert. Auch nicht den Muttertag. Weil es mir wichtig ist, dass das ganze Jahr über Harmonie in der Familie herrscht. Wird nur am Vater- oder Muttertag ein besonderes Frühstück aufgetischt, kann ich darauf verzichten. Allerdings habe ich mich an diesen Tagen immer wieder gefragt, ob ich meiner Rolle als Vater gerecht werde. Mir war es wichtig, meine Kinder so zu erziehen, dass sie Werte und Ziele haben und mit beiden Beinen im Leben stehen. Das ist ein Prozess, der bis zum 16., 17. Lebensjahr der Kinder andauert und jene Phase der Erziehung ist, wo man für sie da sein und die Linie vorgeben muss. Wenn ich bis dahin grobe Fehler gemacht habe und das Kind irgendwo im Nirwana herumschwimmt, kann ich es später nicht mehr richten.



Solange ich mich zurückerinnern kann, war es bei unserer Familie immer so, dass wir gemeinsam gegessen haben. Darauf hat schon mein Vater immer bestanden und ich habe diese Tradition fortgeführt. Das klingt jetzt nicht nach einer großen Sache, doch sind das die wenigen Momente, in denen die Familie zusammenkommt, in denen man sich besprechen, Probleme, Sorgen, glückliche Momente austauschen und natürlich auch Werte vermitteln kann.Wobei ich betonen möchte, dass es für mich kein Zeichen von guter Erziehung ist, wenn jemand grüßen kann. Das war vielleicht früher so. Wenn man da jemanden nicht die Hand gegeben hat, war man ein Rüpel. Doch mir geht es um andere Dinge. Mir ist es extrem wichtig, dass meine Kinder ehrlich sind, dass sie wissen, warum sie auf der Welt sind, und das, was sie wollen, mit einer entsprechenden Zielstrebigkeit verfolgen. Um das zu erreichen, will ich für sie da sein. Das ist mir wichtig als Familienmensch. Daher habe ich die Familie auch immer vor meine Freunde gestellt, weil die Familie letztlich immer das ist, was überbleibt.

Wolfgang und Karin Thiem mit den beiden Söhnen Dominic und Moritz
Wolfgang und Karin Thiem mit den beiden Söhnen Dominic und Moritz © Privat

Das darf man auch nicht vergessen, wenn man so wie wir durch unseren Sohn Dominic etwas mehr im Rampenlicht stehen. Auch, wenn wir das überhaupt nicht so empfinden. Wir sind deswegen keine anderen Menschen geworden. Aber natürlich bin ich stolz auf unseren Sohn. Aber deshalb, weil er zu einer solchen Persönlichkeit gereift ist und seine Prioritäten weiter verfolgt. Er ist keiner, der sich einen Ferrari kauft. Ihm sind Umweltschutz und Tierliebe wichtiger. Eigenschaften, die uns als Eltern zeigen, dass wir es richtig gemacht haben.

Wobei es natürlich auch ein schwieriger Balanceakt ist, wenn man neben einem berühmten noch ein zweites Kind hat. Auf dem Moritz lastet immer der Vergleich zum Dominic. Natürlich nicht von uns, aber von außen. Egal, wo er hinkommt, er ist immer nur der Bruder vom Dominic, nie der Moritz. Das ist eine Situation, mit der muss er umgehen können. Und ich glaube, er hat verstanden, dass er sich selbst einen Platz im Leben suchen muss. Als Kind war er schwierig. Bekam er mit zwei, drei Jahren beim Merkur keine Schokolade, hat er sich auf den Boden geworfen und einen Schreikrampf bekommen. Ihm hat später der Sport extrem geholfen, um disziplinierter zu werden. Mittlerweile steht Moritz auf seinen eigenen Beinen, schläft kaum noch zu Hause. Das ist ein ganz normaler Entwicklungsprozess – und da ist mir das Loslassen ebenso schwergefallen gefallen wie bei Dominic. Als die beiden 14, 15 Jahre alt waren, hatte ich extreme Sorge, dass sie einen Blödsinn machen könnten. Mit Freunden, mit dem Auto. Das war beinahe eine Zeit des Klammerns. Heute ist es eine Zeit des Vertrauens.

Und dieses wurde bisher auch nie enttäuscht. Die Kinder sind nach wie vor die, als die sie aus dem Elternhaus entlassen wurden. Auch, wenn das Bild, das die Medien ab und zu von Dominic zeichnen, nicht seinem wahren Ich entspricht. Ab und zu werden in seine Person Sachen interpretiert, die nicht stimmen, die ich nicht so sehe. Aber im Endeffekt kennt ihn die Öffentlichkeit so, wie er wirklich ist – authentisch. Und das ist mir sehr wichtig.

Dominic Thiem
Dominic Thiem © AP (Jean-Francois Badias)

Ebenso, dass sein Erfolg unser Familiengefüge nicht negativ beeinflusst hat. Wir sind als Familie mit der ganzen Geschichte mitgewachsen und hatten das Glück, dort nicht von null auf hundert hineingestoßen zu werden. Ich kann mich noch gut an die Anfänge erinnern, als wir in Paris mit Dominic beim Juniorenbewerb waren. Da mussten wir uns mit Trainer Günter Bresnik und unzähligen Tennistaschen ein 15 Quadratmeter kleines Zimmer teilen. Doch das ist von Jahr zu Jahr besser geworden und natürlich gewöhnt man sich irgendwann an den Luxus eines schönen Hotelzimmers. Doch das hat uns nicht verändert. Meine Frau und ich führen dieselbe Beziehung wie vor 15 Jahren. Das Einzige, worüber wir nicht mehr diskutieren müssen, ist Geld. Aber: Wenn man kein Geld hat, denkt man, es muss toll sein, viel zu haben. Hat man keine Geldsorgen, tauchen andere Probleme auf.

Wenn der Erfolg von Dominic etwas verändert hat, dann, dass mir die Leute heute mehr zuhören und mein Wort mehr Gewicht hat. Auch, wenn ich Blödsinn rede. Dabei hatte ich auch schon vor zehn Jahren einiges zu sagen – und es waren bestimmt nicht nur Dummheiten. Doch hat das damals noch keinen interessiert. Das ist eigentlich sehr traurig.