Stillen ist mit vielen positiven Effekten für die Gesundheit des Kindes verbunden. Eine wichtige Rolle spielen dabei Humane Milch-Oligosaccharide (HMO). Dabei handelt es sich um bioaktive Mehrfachzucker in der Muttermilch.

An der Med Uni Graz ist die Erforschung dieser HMO ein aktuelles Forschungsgebiet. So konnten die Wissenschaftler beispielsweise aktuell HMO im Nabelschnurblut nachweisen und zeigen, dass sich HMO bereits während der Schwangerschaft im Blutkreislauf der Mutter finden.

In einem neuen Forschungsprojekt wird nun untersucht, ob HMO auch das Mikrobiom von Schwangeren beeinflussen und somit bei der ersten Besiedelung des kindlichen Darms durch Mikroben bereits eine wichtige Rolle spielen.

Mehrfachzucker mit großer Wirkung

Stillen fördert nicht nur die Verbundenheit von Mutter und Kind, sondern vor allem auch die Gesundheit des Neugeborenen und dessen spätere Entwicklung. An der Med Uni Graz erforscht Evelyn Jantscher-Krenn die Rolle von HMO.

Diese bioaktiven Mehrfachzucker sind ein Bestandteil der Muttermilch mit vielen positiven Eigenschaften. Kürzlich zeigten die Forscherin und ihre Kollegen, dass HMO deutlich vor Beginn der Laktation gebildet werden und schon früh während der Schwangerschaft im mütterlichen Blutkreislauf nachweisbar sind. „In einer ersten Studie untersuchten wir Blutproben gesunder Frauen während der Schwangerschaft auf HMO und identifizierten im Blut der Schwangeren 16 verschiedene HMO-Strukturen, die auch in der Muttermilch vorkommen“, beschreibt Evelyn Jantscher-Krenn.

Erster Schluck Muttermilch im Mutterleib

Außerdem entdeckten die Wissenschaftler, dass HMO auch im Nabelschnurblut von Neugeborenen nachweisbar sind und im mütterlichen Blut über die Plazenta transportiert werden. Dies deutet darauf hin, dass auch während der Schwangerschaft HMO über die Plazenta-Barriere vom mütterlichen in den kindlichen Kreislauf gelangen. „Babys kommen also nicht erst mit dem ersten Schluck Muttermilch mit HMO in Berührung, sondern bereits im Mutterleib“, fasst Evelyn Jantscher-Krenn die bisherigen Forschungsergebnisse zusammen.Die Konzentration und Zusammensetzung von HMO variieren abhängig von Schwangerschaftswoche und genetischen Faktoren, aber auch vom metabolischen Status der Mutter, wie die Forscher zeigen konnten. „Während die Bedeutung von HMO für das gestillte Neugeborenen allmählich erkannt wird, ist die Rolle von HMO in der Schwangerschaft gänzlich unbekannt“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Unsere Forschung hat daher das Ziel zu untersuchen, wie pränatale HMO die mütterliche und indirekt auch die fetale Gesundheit beeinflussen, und mit Schwangerschaftskomplikationen zusammenhängen“, beschreibt Evelyn Jantscher-Krenn weiter.

So konnte sie in Zusammenarbeit mit Mireille van Poppel von der Uni Graz in einer Folgestudie zeigen, dass die erhöhte Konzentration eines bestimmtes HMO im Blut in der Frühschwangerschaft auf eine spätere Komplikation durch Schwangerschaftsdiabetes hinweisen könnte.

HMO können direkt auf das Mikrobiom wirken

Aufbauend auf die bisher gewonnenen Forschungsergebnisse, widmet sich Evelyn Jantscher-Krenn in Zusammenarbeit mit Christine Moissl-Eichinger, Professorin für interaktive Mikrobiomforschungan der Med Uni Graz, der Frage, wie HMO und das Mikrobiom in der Schwangerschaft interagieren. Das menschliche Mikrobiom, die Gesamtheit der Mikroorganismen in und auf unserem Körper, ist entscheidend für Gesundheit und Wohlbefinden. Während der Schwangerschaft könnten Störungen im Mikrobiom (Dysbiose), besonders des mütterlichen Urogenitaltrakts, Frühgeburten begünstigen. Diese Forschungsarbeit wird vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert.

Gesundes Darmmikrobiom

Die Übertragung von Mikroben von der Mutter zum Kind spielt für die frühe Entwicklung eines gesunden Darmmikrobioms eine wichtige Rolle, ist bisher jedoch noch nicht im Detail erforscht. Das mütterliche Mikrobiom verändert sich bereits während der Schwangerschaft, möglicherweise auch in Vorbereitung auf die Übertragung zum Kind. „HMO wirken präbiotisch; sie können die Zusammensetzung mikrobieller Gemeinschaften verändern, und unterstützen so die Entwicklung eines gesunden Darmmikrobioms im Neugeborenen“, so die beiden Wissenschaftler. Die Forscherinnen widmen sich nun der Frage, ob pränatale HMOs das Mikrobiom von Schwangeren verändern, und somit auch die Übertragung von der Mutter auf das Kind beeinflussen.

Grundstein für  spätere Gesundheit des Kindes

Diese Studie wird als Beobachtungsstudie an gesunden Schwangeren an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Medizinischen Universität Graz durchgeführt. Kurz vor der Geburt werden verschiedene mütterliche Proben (Blut, Harn, Speichel, Stuhl) gesammelt, bei der Geburt und kurz danach Fruchtwasser (bei Kaiserschnitten), Muttermilch und Proben vom Neugeborenen (Abstriche von der Mundhöhle und Stuhlproben). Assoziationsstudien werden zeigen, ob HMO im mütterlichen Blut oder Harn mit der Zusammensetzung des mütterlichen und kindlichen Mikrobioms zusammenhängen.

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Resultate dieser Studie werden grundlegende Einblicke in den Mikrobentransfer von Mutter zu Kind gewähren, und möglicherweise eine neue Rolle für HMO in diesem Prozess aufzeigen. Falls bestimmte HMO mit einem „günstigen“ Mikrobiomprofil in Schwangeren oder Neugeborenen assoziiert sind, können künftige Studien diese HMO als neue, sichere Präbiotika in der Schwangerschaft untersuchen, um Störungen im Mikrobiom sowohl bei der Mutter als auch dem Neugeborenen vorzubeugen oder zu beheben. „Da in dieser frühen Lebensphase eines Kindes das Risiko für verschiedene Störungen im Immunsystem oder des Stoffwechsels entscheidend geprägt werden kann, spielen dann HMO möglicherweise schon während der Schwangerschaft eine wichtige Rolle für die spätere Gesundheit“, blicken die beiden Forscherinnen in die Zukunft.