Von Knoblauch bis zur Aromatherapie: Derzeit kursieren viele Vorschläge, wie man das Immunsystem unterstützen kann. Manche davon ohne jeglichen wissenschaftlichen Beleg. Eine nachgewiesene Stärkung der Abwehrkräfte ist aber schon ganz einfach möglich: durch regelmäßige Spaziergänge im Wald.

Direkt aus der Luft

Biologe und Gesundheitsökologe Clemens Arvay hat sich intensiv mit den Auswirkungen des Waldes auf den menschlichen Körper auseinandergesetzt. „Gerade jetzt ist ein gutes Immunsystem wichtig. Waldluft enthält eine Vielzahl an bioaktiven Pflanzenstoffen, die direkt auf unser Immunsystem wirken“, sagt Arvay. Dazu zählen auch die von den Bäumen abgegebenen Duftstoffe, sogenannte Terpene. Feldstudien und Laborexperimente konnten zeigen, dass Terpene das körperliche Abwehrsystem stärken. „Dazu kommt, dass die Produktion von Immunproteinen, die ebenfalls zentral für unser Immunsystem sind, bei Waldspaziergängen vom Körper verstärkt wird“, meint Arvay.

Begrünte Städte dienen der Gesundheit

Daher spricht sich der Gesundheitsökologe dafür aus, Städte intensiver zu begrünen: „Wir sollten Brachflächen nicht nur für Einkaufszentren nutzen, sondern urbane Waldinseln schaffen“, so Arvay. Erst 2018 zeigte eine Studie, dass es in Europas Städten achtmal mehr asthmakranke Kinder gibt als auf dem Land. Auch psychische Erkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Probleme sind in Städten signifikant höher.


Der psychischen Vorteile von Wald und Natur ist sich auch die Psychologische Beraterin Burgi Karrer-Plamenig sicher. Regelmäßig verlagert sie Beratungsgespräche mit Klienten nach draußen zu sogenannten Gedankengängen. Aber auch alleine sind Gedankengänge möglich. „Man sollte sich dafür zwei Stunden Zeit nehmen“, empfiehlt Karrer-Plamenig. In diesen zwei Stunden heißt es dann: hinein ins Grün. Es empfiehlt sich, keine anspruchsvolle Route zu wählen, sondern eine gemütliche Runde Zum- einfach-Drauflosgehen. In der Stille des Waldes sollte man dann damit beginnen, sein Umfeld bewusst wahrzunehmen: den Boden unter den Füßen, das Zwitschern der Vögel und das Rauschen des Windes.

„Im Wald beginnt sich Ruhe einzustellen. Diese Ruhe ist die Basis dafür, im Gehen Gedanken zu entwickeln“, erklärt Karrer-Plamenig. Außerdem bemerke man in der Stille und Abgeschiedenheit, welche Themen aktuell so präsent sind, dass sie auch hier im Denken ihren Platz finden. Gerade aktuell seien viele Menschen überlastet und finden sich in schwierigen Gedanken wieder, die sich im Kreis drehen und kein Ausbrechen ermöglichen.
„Im Wald und im Gehen öffnet sich die Psyche hin zu neuen Möglichkeiten und einem konstruktiven inneren Dialog“, sagt Karrer-Plamenig. So mache es die Natur möglich, den inneren Blick zu klären und Probleme neu zu ordnen. Stress enge den Fokus ein, der sich durch ein ruhiges Umfeld wieder erweitern und erneuern lasse.

Im Körper stellt sich Entspannung ein

Dass diese Art der Entspannung im Umfeld des Waldes möglich ist, führen sowohl die Psychologische Beraterin als auch der Gesundheitsökologe auf die Wirkung des Waldes auf den Sympathikus und den Parasympathikus zurück. „Im Wald schaltet unser Nervensystem auf den Modus der Regeneration“, meint Clemens Arvay. Dieser Effekt kann auch gemessen werden. Sind wir gestresst, ist der Sympathikus, unser Nerv der Erregung, stark aktiviert. Verbringen Menschen Zeit in der Natur, zeigt sich, dass diese Aktivierung stark zurückgeht. Im Gegeneffekt wird der Parasympathikus, der Nerv der Ruhe, stärker aktiviert. „Dieser Effekt wirkt sich positiv auf unser Immunsystem aus“, sagt Arvay. „Bei Stress geht unserem Immunsystem Energie verloren. Gehen die Stresshormone zurück, ist wieder mehr Energie für unser Immunsystem vorhanden.“

Gerade in Zeiten, in denen das Stresslevel bei den meisten Menschen höher ist als üblicherweise, raten die beiden Experten zu ausgiebigen und regelmäßigen Spaziergängen im Wald. So könne man Körper und Geist, ohne großen Aufwand, für aktuelle Herausforderungen wappnen. Egal wie sich die Krise entwickeln wird, einer Sache ist sich der Gesundheitsökologe sicher: „Hinaus in den Wald zu gehen, darf Menschen nie verboten werden."