Klemens Gold ist Koch. Er sitzt auf einer Bühne, dunkelgraue Kochschürze, Mütze, goldgelbes Prickeln im Glas. Und genau von diesen lebendigen Bläschen erzählt der einst jüngste Sternekoch Europas während des Forums für alkoholfreie Speisenbegleitung in Wien. Im Glas ist sein „Combuchant“, ein Sparkling Tea, den er mit Tee und Feigenblättern aus Großraming in Oberösterreich fermentiert.
„Vor 15 Jahren habe ich meinen ersten Kombucha gemacht.“ Seitdem sind aus den versuchsweisen 20 Flaschen Kombucha, 10.000 „Combuchant“ geworden. „Heute koche ich Tee, wie ein Teemeister, muss so sauber arbeiten, wie ein Sake-Braumeister, propagiere die Hefe, wie ein Bierbrauer und begleite mein Werk wie ein Winzer.“ Die Nachfrage steigt, der Qualitätsanspruch bleibt, beziehungsweise geht noch weiter. Denn seit diesem Jahrgang lagern die „Combuchant“ in begehrten Stockinger-Holzfässern.
Davon soll es irgendwann 200.000 Flaschen geben. Aber auch nur dann, wenn es ein Getränk bleibt, das Tischgespräche anregt. „Ich träume von einem Forschungslabor, in dem wir an Hefen aber auch an der Regionsentwicklung, also am Teeanbau in Oberösterreich arbeiten“, so Gold. Die Logik neu erfinden, und die asiatische Trinkkultur mit der europäischen verbinden, darum geht es ihm. „Oft begegnet man Turbulenzen mit der Logik von gestern.“ In Großraming denkt man neu und kreiert „Getränke, die niemanden ausschließen“.
Das sieht Miko Klages, Sommelier im Restaurant Horvath in Berlin ähnlich. „Heutzutage kann sich das kein Restaurant in der Kategorie mehr leisten, keine alkoholfreie Begleitung anzubieten“, so Klages. „Wenn man zwei Sterne kocht, muss man auch eine alkoholfreie Begleitung, kurz AfB, kreieren. Wir machen alles selbst.“ So wie die „Reduktion vom Brombeersorbet mit roter Rübe und Cocoa“ zum „Schokomousse ohne Schokolade, mit Steinpilzen“. „Ich könnte mir vorstellen, dass es in einiger Zeit in Restaurants wie unserem sogar zwei alkoholfreie Begleitungen zur Auswahl gibt“, so Klages, der mit seinem österreichischen Küchenchef Sebastian Frank von 21. Jänner bis 1. Februar mit einem Pop-up in Wien gastiert.
In Wien rührt auch Sommelière Friederike Duhme im Pool der neuen alkoholfreien Getränke mit. Sie ist Sommelière im frisch eröffneten „Lara“, sowie in dessen Schwester „Jola“, und führt mit ihrem Partner Lucas Matthies, das „kein&low“ – ein Geschäft für alkoholfreie und -arme Getränke. „Das ist eine gänzlich neue Branche, die sich hier entwickelt“, so die 2024 zur Sommelière des Jahres gekürte Duhme. Vergleichbar sei diese Entwicklung mit der Bewegung der Naturweine. „Seit 2020 geht es in der Branche so richtig bergauf. Doch die Zeit ist jetzt viel schnelllebiger als noch zur Entstehung der Naturweinszene.“ Duhme ist überzeugt: „In fünf Jahren trinken wir alkoholfreies, das ebenbürtig ist.“ Wichtig sei nur diese Entwicklung als eigenständige Getränkekategorie zu sehen, und nicht als Ersatz für Wein.
Vor fünf Jahren begann Herbert König Jahrgangssäfte in der Südsteiermark zu produzieren. Auch bei ihm geht es um spannende alkoholfreie Getränke. Und dafür bedarf es einiges: „Ich arbeite nur mit alten, heimischen Sorten und mit Obst, das auf Steillagen gewachsen ist“, so der Obst- und Weinbauer. „Die Mammutquitte wächst direkt auf den Schieferböden über einem Weingarten“, so der Südsteirer. Alte Obstbestände aus Best- und Steillagen, das die Besonderheiten eines Jahres widerspiegelt. Und so imponiert der Kittenberger Vogelkirschensaft von „Wachstum König“, gewonnen aus kleinen, kernreichen Beeren mit feinem Gerbstoff und einer betörenden Säure. „Die Conference Birne ist mein burgundischster Saft“, so König, der bereits alles war: Winzer, Gastronom und Saftproduzent. „Vom Wein lerne ich für das Obst, und vom Saft für den Wein“, so König, der mit seinen Jahrgangssäften in Restaurants wie dem „noma“ und auch dem „Horvath“ gelistet ist, und eben erst durch New York getourt ist. Denn auch dort will man seine säurebetonten Obstgetränke aus Steillagen.
„Und wenn diese Säfte erst reifen“, sinniert König begeistert weiter, „dann entwickeln sich richtige Gewürzthemen aus Lorbeer und Liebstöckl“. Das können zum Beispiel Besucher der Vertikalverkostung in Turin im Rahmen der Weinmesse „Augusta“ erschmecken. Denn auch auf dieser Weinmesse ist König mit seinen Säften erwünscht. Es scheint also ganz so, als bekäme „eins haben wir immer noch getrunken“ einen neuen Anstrich, und: Als wären diese NoLos (sprich non-alcoholic bzw. low-alcoholic, dt.: alkoholfrei bzw. mit wenig Alkohol) gekommen, um zu bleiben.