Wenn die Polizei in Berlin auf der Suche nach einem stillen Örtchen ist, dann geht sie – kein Scherz – zur Weinbar Freundschaft. Dort gibt es vielleicht keinen Traminer, aber Verständnis für vieles. Außer für schlechte Manieren. An einem Feiertag, an dem andere die Füße hochlegen, treffen wir uns zum Podcast. Willi Schlögl, gebürtiger Hartberger, und Johannes „Schelli“ Schellhorn, gebürtiger Salzburger und ja, Sohn vom „Was machst du?“-Insta-Star Sepp, schenken ein – und lassen nichts aus. Schon gar nicht bei der ersten von drei Fragen im Podcast „Wein, Wahrheit oder Pflicht?“.
Welcher Stammgast nervt euch eigentlich – aber ihr tut freundlich, weil er zahlt wie ein Scheich? Schlögl schaut ernst, Schellhorn diplomatisch. Dann gibt es statt Klarnamen eine Magnumflasche „Bürklin Wolf“. Kein Witz: Für jede nicht beantwortete Frage sponsern sie eine 1,5-Liter-Flasche „2017er Wachenheim Reserve“. Sechs Jahre auf der Hefe, deutscher Riesling, trocken. „Das mit dem Fußball stimmt ja nicht mehr so ganz, aber beim Riesling bleibt der Deutsche besser“, sagt Schellhorn.
Freundschaft heißt die Bar der beiden in Berlin Mitte. Und das ist kein Zufall. Denn Schlögl und Schellhorn verbindet genau das – eine Freundschaft, wie sie in der Gastronomie selten geworden ist. Keine Pose, keine Marke, sondern echtes Vertrauen. Man fährt gemeinsam zu Branchentreffen, sagt Verabredungen ab, „weil wir einmal nur zu zweit einen Abend verbringen wollten. Ganz normal. Wie ein Pärchen. Nur mit Schürze statt Pyjama“.
Man merkt schnell: Die beiden reden viel – und gerne. Aber sie meinen, was sie sagen. Auch wenn’s um Kritik geht. Stammgäste bekommen besseren Service? Ja. Muss man nicht diskutieren. „Komm regelmäßig, sei freundlich, schau mir ins Gesicht beim Bestellen – dann wird das vielleicht was mit uns.“ Und wenn’s gar nicht passt, dann heißt es halt: „Vielleicht suchst du dir ein anderes Lokal.“
Klare Ansagen. Nur nicht bei der zweiten Podcast-Frage „Wein, Wahrheit oder Pflicht“: Nennt einen steirischen Winzer, den ihr gar nicht mögt – und warum. Stille. Dann wird eine weitere Magnum gesponsert. „Wenn dir wer nicht taugt, schenk ihm keine Aufmerksamkeit“, sagt Schlögl. „Und wenn du ein Problem hast, sag es der Person ins Gesicht“, meint Schellhorn. Aus. Punkt. Respekt ist keine Einbahnstraße. Auch nicht bei 1,5 Millionen Jahresumsatz.
Was sie hingegen mögen, ist steirischer Wein. Vor allem, wenn er nicht so tut, als wäre er aus Frankreich. Die Steiermark, sagen beide, hat in Sachen Biodynamie und Weingartenarbeit international längst die Nase vorn. „Was da aktuell passiert, ist sensationell.“ Sauvignon Blanc auf Weltklasseniveau, Schilcher mit Zukunft – und sogar Muskateller hat sich zur „Guilty Pleasure“ gemausert. Und der Traminer? „Schmeckt nirgends.“ Nicht in der Südoststeiermark, nicht im Elsass, nicht einmal im Glas. Ein bisschen Bashing muss sein – solange es gegen die Rebsorte geht, nicht gegen den Menschen dahinter.
Bei der letzten Frage sollen die beiden ihren aktuellen Kontostand vorlesen. Lachen. Zögern. Dann die bittere Wahrheit: „Letzte Woche haben wir Steuern überwiesen. Jetzt ist noch die Hälfte da.“ Umsatz ist eben nicht gleich Gewinn, schon gar nicht in einem Land, das sich auf Sozialabgaben besser versteht als auf gute Gastronomiepolitik.
Und trotzdem: Im September wird die Freundschaft acht Jahre alt. Acht Jahre kein Konzept, sondern Haltung. Kein Investorenprojekt, sondern echtes Gastgeben. „Ich geh seit acht Jahren jeden Tag gern rein“, sagt Schellhorn. Und Schlögl nickt. Kein High-Five, kein Marketing-Gehudel – einfach Freundschaft. Die echte, die bleibt. Auch wenn der Markt sich dreht, der Alkoholkonsum sinkt, die Getränkekarten entalkoholisiert werden. „Entalkoholisierter Wein ist wie ein Aperol ohne Spritz – einfach nur bitter.“
Stattdessen lieber Sparkling Tea, Soda-Zitron oder Fermentiertes. Aber bitte mit Geschmack. Und Haltung. Denn am Ende ist das, was die beiden antreibt, weder der Umsatz noch die Googlebewertung. Sondern die Idee, dass man eine Bar betreiben kann, die man selbst auch besuchen würde. Und das mit einem Menschen tut, dem man vertraut.