Weniger trinken, mehr wissen. So ungefähr lautet das Motto vom neuen Podcast „Wein, Wahrheit oder Pflicht“. Wein schmeckt ohnehin besser, wenn man die Geschichte dahinter kennt – und genau deshalb wollen wir lieber von Winzerinnen und Winzern erzählen, als von Rebsorten. Das wird gleich beim Reinhören in die erste Folge klar. Diese wurde beim Kleine Zeitung Podcast-Festival im Grazer Schauspielhaus aufgezeichnet.

Erich Polz jun. im launigen Live-Podcast

Zu Gast eine Persönlichkeit, der die große Bühne nicht fremd ist. Und genau das macht auch die spannende Story von Erich Polz jr. aus. Manche Geschichten packen einen nämlich sofort, springen förmlich ins Herz und bleiben dort haften. Andere hingegen erreichen einen weniger – und das ist auch völlig in Ordnung. Erich Polz Jr. zum Beispiel hat sich ganz bewusst dagegen entschieden, seine Geschichte als Dirigent zu erzählen. Für ihn stehen andere Themen im Vordergrund, und manchmal sagt das Weglassen einer Geschichte mehr als das Erzählen.

Erich Polz jr. hat das Dirigentenpult gegen den Weinberg in der Südsteiermark eingetauscht.
Erich Polz jr. hat das Dirigentenpult gegen den Weinberg in der Südsteiermark eingetauscht. © Stefan Pajman
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Der Name „Polz“ ist in der Südsteiermark längst Synonym für Qualität im Glas. Dass der Mann hinter der jüngsten Generation des Weinguts einst als Dirigent auf Bühnen stand, lässt er lieber unerzählt. Auch, weil Polz nicht viel Aufhebens darum macht.
„Diese Schlagzeilen wie ‚Vom Taktstock zum Weinstock‘ sind mir zu platt“, sagt er. Dabei liegt die Parallele nahe – Handwerk, Ausdruck, Präzision. „In der Musik wie im Weinbau geht es darum, mit Demut etwas entstehen zu lassen, das andere berührt.“
Dass das keine PR-Floskel ist, spürt man sofort. Polz spricht ruhig, durchdacht, ohne Pathos. Einer, der sich Zeit lässt für Antworten – und für Wein. Der mit 16 schon im elterlichen Betrieb mitarbeitete, dann in Wien Wirtschaft und Weinbau studierte. Und der dort spürte, dass etwas fehlt. Also wurde er Dirigent. Missa Solemnis, Orchester, Konzertkleidung – alles mit voller Hingabe. Bis der Ruf der Rebstöcke lauter wurde als der Applaus. Nicht weil er musste. Weil es ihn zog.

„Musik verlangt Präzision und Gefühl. Genau das braucht auch Wein“, schildert Erich Polz jr. im Grazer Schauspielhaus.
„Musik verlangt Präzision und Gefühl. Genau das braucht auch Wein“, schildert Erich Polz jr. im Grazer Schauspielhaus. © Stefan Pajman

Heute steht er wieder im Keller, aber das Dirigieren hat ihn geprägt. „Musik verlangt Präzision und Gefühl. Genau das braucht auch Wein.“ Die Parallelen sind für ihn kein Marketing, sondern innere Haltung. Wie auch der Zweifel. Auf seinem T-Shirt beim Podcast steht: „Ich weiß es nicht“. Polz nickt: „Zweifel macht kreativ. Wer nie fragt, bleibt stehen.“ Es ist dieser sanfte Widerspruchsgeist, der sich durch das Gespräch zieht. Polz ist keiner für große Bühnen oder laute Auftritte. Auch im Marketing bleibt er zurückhaltend. „Ich muss nicht ständig was posten. Wenn ein Wein gut ist, erzählt er seine Geschichte selbst.“ Ums Besserwissen geht es ihm nicht. Viel mehr ums Besserwerden.

Die Entwicklungen in der Weinwelt sieht er gelassen. Weniger Alkohol? Weniger Konsum? „Wenn jemand statt drei Flaschen um 40 Euro nur eine für 60 trinkt – super. Hauptsache, sie berührt.“ Denn das ist sein Maßstab: Wein mit Seele. Kein Effektfeuerwerk, kein schneller Reiz. Sondern etwas mit Tiefe. „Ich sag lieber, was meine Weine nicht sind: keine schnellen Nummern, keine Lautsprecher. Eher wie Musik, die sich langsam entfaltet.“

Im Anschluss an den Live-Podcast konnten die Weine von Polz auch verkostet werden.
Im Anschluss an den Live-Podcast konnten die Weine von Polz auch verkostet werden. © Stefan Pajman

So denkt auch einer, der mehr auf Werk als auf Wirkung setzt. Für Polz ist der Weinberg kein Imageprojekt, sondern Verantwortung. Gegenüber der Familie, der Region – und dem Material. „Ein Wein entsteht nicht nur aus Boden und Klima, sondern auch aus dem, was man ihm zutraut.“ Auch Terroir ist für ihn kein Mythos: „Es ist kein Schambegriff. Es ist alles. Ohne Mensch, kein Ausdruck.“

Gerade in Zeiten digitaler Schnelllebigkeit ist Polz ein leiser Gegenentwurf. Einer, der lieber im Keller probiert als im Feed postet. Der Identität über Image stellt. „Identität ist gleich Priorität“, sagt er – und lässt den Satz stehen wie einen guten Tropfen im Glas.
Was bleibt, ist das Gefühl, hier spricht keiner, der gefallen will. Sondern einer, der etwas zu sagen hat. Auch wenn man zweimal hinhören muss. Oder will.

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