Manchmal sind die Erwartungen an einen Abend so groß, dass man sich kaum vorstellen mag, sie könnten erfüllt werden: „Orfeo ed Euridice“, laut Fachmann Karl Böhmer die berühmteste Oper von Christoph Willibald Gluck, mit dem mehrfach prämierten und hochgelobten Münchner Countertenor Valer Sabadus als Orfeo! Und dann tritt wirklich der Moment ein, wo die Analysefähigkeit des Rezensenten schweigt, wo einen Schönheit und Emotion vollkommen in den Bann schlagen und man nur mehr ein stilles „Schön!“ seufzen möchte.


Die Einzelleistungen aller Mitwirkenden ergaben einfach einen perfekten Opernabend. Da war das wunderbare Orchester recreationBarock, das von Michael Hofstetter wie immer mit Elan, Feuer und Sensibilität geleitet wurde, das klangschöne Vocalforum Graz (Einstudierung: Franz M. Herzog) und die drei exzellenten Solisten: Valer Sabadus erweichte nicht nur die Furien glaubwürdig mit seinem himmlischen Gesang. Bei der Schilderung des Elysiums wurde er von Maria Beatrice Cantelli (Traversflöte) und Georg Fritz (Oboe) ebenbürtig unterstützt.

Mezzosopranistin Tanja Vogrin war mit warmer Stimme und (der zu Glucks Zeiten noch exotischen) Harfe ein zärtlicher Amor und Tatjana Miyus, Ensemblemitglied der Oper Graz, eine ergreifende, gequälte und enttäuschte Euridice. Allen Interpreten gelang zudem der von Gluck geforderte Ausdruck der Emotionen, der über aller Schönheit der Musik stehen sollte.

Ganz und gar erfreulich war auch die szenische Umsetzung der Oper als Figurentheater durch das renommierte Kabinetttheater Wien. Unter der Regie von Thomas Reichert wurde die Handlung wohltuend zurückgenommen bebildert. Die langsame Entstehung des Paradieses, eine Sisyphos-Szene als Metapher für den Kampf gegen die Sucht und die Hauptdarsteller als Puppen in der Unterwelt in einer Guckkastenbühne ergaben eine eindringliche, aber unaufgeregte Darstellung großer Gefühle. Da Glucks Oper ein Namenstagsgeschenk Maria Theresias an ihren Gemahl war, musste sie – entgegen dem ursprünglichen Mythos – sogar ein Happy End haben.

Szenenbild des Kabinettheaters Wien
Szenenbild des Kabinettheaters Wien © styriarte/Werner Kmetitsch