Seit dem Finale von „Game of Thrones“ wissen wir: Königin sein ist im Moment eine heikle Sache. Außer man sitzt so fest im Sattel wie Queen Elizabeth II. oder Madonna. Letztere hat mehr als 300 Millionen Tonträger verkauft und Hits wie „Vogue“ oder „Like a Prayer“ ins Popuniversum geschossen. Die Schatzkammer ist also immer noch gut gefüllt. Weniger glitzernd waren da schon die Berichte um ihren Auftritt beim Song Contest. Das Scheitern auf offener Bühne war, zugegeben, keine Sternstunde, aber gleich an ihrem Thron zu sägen, das ist ein bisschen wie Popstar-Tinder. Ein Wisch – und weg! Das wäre selbst für unsere Wegwerfgesellschaft dann doch zu billig. Wie übrigens die zuletzt mehrfach für ihre Person verwendete Zuschreibung „Mitleid“. Das ist eher armselig.

Album Nummer 14 und Nachfolger von „Rebel Heart“ (2015) heißt also „Madame X“ – Choreografin und Modern-Dance-Ikone Martha Graham hat sie einst so genannt. Der Name ist Programm: Seit Wochen dekliniert sie auf Instagram rauf und runter, in welche Rolle Madame X zu schlüpfen pflegt (Mother of dragons, the Captain, Brings light to dark places). Am Album selbst gibt sie vielfach die Rolle der Weltenretterin. Musikalisch ist das 13 Lieder umfassende Werk ein Kaleidoskop: alles, nur keine stringente Erzählung. Das braucht es in Zeiten von Playlists auch nicht mehr.

"Madame X" von Madonna
"Madame X" von Madonna © Universal

Und so vermisst sie diese irre, wirre, schwankende Welt und wechselt bisweilen zwischen Englisch, Spanisch und Portugiesisch. Ein dreifaches Gospel-Hallelujah gibt es bei „Batuka“, „God Control“ beginnt als sphärische „Achtung, die Welt geht den Bach runter“-Suada, die in den Disco-Modus verfällt und im Refrain „This is your wake-up call“ verkündet. Gut möglich, dass zumindest der Refrain bei einer „Fridays for Future“-Demo aus den Boxen schallt. „Killers Who Are Partying“ ist eine – ja was eigentlich? Eine Art musikalische Fürbitte für den Weltfrieden. Die Nummer „I Don’t Search I Find“ hätte als Remix möglicherweise sogar Charts-Potenzial.

Die spannendste Nummer der Königin der Spießerverachtung ist jedoch „Dark Ballett“, das zwischen Klaviersolo und einer Art Leierkasten-Mucke auf LSD pendelt. Verquer? Nein, nur quer. Es ist kein Zufall, dass die 60-Jährige, eine Ikone der Queer-Bewegung, ihre CD im Pride-Monat vom Stapel lässt. Das Video zu „Dark Ballet“ ist Programm: Die Hauptrolle der Jeanne d’Arc spielt niemand geringerer als Rapper Mykki Blanco, der sich selbst weder als Künstler noch als Privatperson auf ein Geschlecht festlegen lässt. Gut möglich, dass Pop hier mehr politische Botschaft denn musikalischer Weitwurf ist. Aber eine Königin, die kann und muss sich das auch leisten können.

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