Es ist ein ungeheuerlicher Fall, den Drehbuchautor J. Michael Straczynski vor einigen Jahren in alten Polizeiakten fand: Als im Los Angeles der 20er-Jahre der kleine Sohn einer allein erziehenden Mutter spurlos verschwindet, bringt ihr die korrupte Polizei einige Zeit später einen fremden Buben zurück. Doch die Mutter will sich mit dieser Lüge nicht abfinden und wehrt sich vehement - mit gefährlichen Konsequenzen. Diese Geschichte um Gerechtigkeit, Wahrheit und tiefe Mutterliebe fiel Regisseur Clint Eastwood in die Hände, der sie nun auf gewohnt einfühlsame Weise verfilmt hat. In "Der fremde Sohn" lässt er eine überragende Angelina Jolie in der Hauptrolle weinen, schluchzen und kämpfen. Basierend auf diesen wahren Begebenheiten spielt Jolie die junge Mutter Christine Collins, deren neunjähriger Sohn Walter eines Tages plötzlich verschwindet.

Nach monatelangem Bangen scheint das Grauen endlich ein Ende zu haben: Die Polizei verkündet Christine, sie habe ihren Buben gefunden. Doch beim Abholen auf dem Bahnhof merkt die Mutter sofort, dass dies nicht ihr Sohn ist. Da die Polizei jedoch unter Erfolgsdruck steht, drängt sie Christine dazu, den Buben als ihren aufzunehmen. Als Christine jedoch nicht aufgibt nach Walter zu suchen, denunziert die Polizei die tapfere Frau als Hysterikerin mit Wahnvorstellungen und steckt sie wegen ihrer unbeirrten Fragen in die Psychiatrie. Nur der engagierte Pfarrer Gustav Briegleb (John Malkovich) lässt sich von der Polizei nicht einschüchtern und unterstützt Christine bei der scheinbar aussichtslosen Suche nach ihrem Sohn.

"Der fremde Sohn" setzt dabei ganz auf die erschreckend mager wirkende Angelina Jolie, die fast jede Szene des Films beherrscht. Jolie, die derzeit vor allem Schlagzeilen als Dauerfreundin von Brad Pitt und natürlich als Mehrfach-Mama macht, scheint in ihrer Rolle als kämpferische Mutter aufzugehen. Sie schreit und heult, sie kämpft und wehrt sich. Tatsächlich hat sie die Geschichte persönlich berührt, wie sie bei den Filmfestspielen in Cannes erzählte. "Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen als ein Kind zu verlieren, vor allem, wenn man nicht weiß, was dem Kind passiert ist."

Clint Eastwood inszeniert "Der fremde Sohn" jedoch nicht einfach als Drama um eine Frau, die sich gegen die übermächtige Bürokratie wehrt. Auf ein Genre lässt sich der Film, für den Eastwood auch die Musik komponierte, nämlich nicht festlegen: Was als nervenzerreibender Thriller beginnt, geht in ein beklemmendes Psychodrama und einen Politfilm über, bevor schließlich wie in einem Gerichtsfilm für Gerechtigkeit gesorgt wird. Regisseur Eastwood kreist anhand eines Einzelschicksals um Themen wie Schuld und Vergebung.