Wer einen sein eigen nannte und dafür das nötige Kleingeld parat hatte, maß der Zeit den Puls. Vor 40 Jahren, am 1. Juli 1979, stellte Unterhaltungriese Sony den ersten Walkman mit dem recht unscheinbaren Namen "TPS-L2" vor.

Das kleine Kasterl ging, salopp formuliert, ab wie eine "Saturn V"-Rakete. Nach nur drei Monaten waren davon 30.000 Geräte verkauft – und ganz nebenbei ward eine neue Ära geboren. Erstmals konnte man mit einem äußerst kompakten Gerät auch unterwegs Musik hören. Wann und wo auch immer man wollte bzw. so lange die Batterien hielten. Eine Revolution nach Noten, die ihren Triumphzug um die ganze Welt antrat – und, auch das sei hier erwähnt, dem einen oder anderen Gehör nicht allzu gut getan haben mag.

Der Urvater der tragbaren Kassettenspieler schlug in den USA mit 140 Dollar zu Buche, was damals eine ganze Menge Geld war. Mit fortlaufender Nutzungsdauer hauchten die feierlich eingelegten Musikkassetten – es gab sie in Kapazitäten von 60 oder 90 Minuten, die Exoten mit 120 Minuten Spieldauer waren für Walkmen definitiv nicht zu empfehlen – ihr Leben aus. Was sich durch (l)eiernde Tonqualität schleichend ankündigte, endete meist im Bandsalat. Ein systemimmanentes Problem eines analogen Mediums, das man gern in Kauf nahm.

Kasterl mit politischer Relevanz

Der Walkman war auch ein soziokulturelles Phänomen: Er ließ einen zwar physisch präsent bleiben, doch in der Musik, die man nur selbst über seine Bügelkopfhörer hören konnte, abtauchen. Jeder nach seinem Gusto, mit vom Radio oder von Schallplatte auf Band überspielter Musik oder Original-Musikkassetten der Künstler (die sauteuer waren, nebenbei bemerkt). In China stufte man das Abkoppeln von der Außenwelt gar als Aufbegehren gegen das politische Regime ein.

Der Kult inmitten eines Jahrzehnts voll bizarrer Frisuren, Kleidung in Neonfarben und nach Plastik riechender Musik trieb seltsame Blüten: Laut Sony-Archiv griffen 1980 etliche unbekannte Täter zum Hammer und schlugen damit gierig die Scheiben von deutschen Elektrohändlern ein. Aus der Auslage ließen sie dann den Walkman mitgehen, "und nur den Walkman", wie betont wurde. Das Nachfolgemodell des "TPS-L2", der "WM-2" schlug mit 2,5 Millionen verkauften Exemplaren noch einmal so richtig ein. Und auch die Konkurrenz von Sony hatte den Braten längst gerochen: Binnen zwei Jahren kamen 50 vergleichbare Geräte verschiedener Hersteller auf den Markt.

Beliebigkeit löst Fokussierung ab

Seit damals haben sich nicht nur die Abspielgeräte, sondern auch die Spielarten der Mediennutzung mehrfach gravierend geändert. Für den Preis des "TPS-L2" bekommt man heute brauchbare MP3-Player – und selbst das ist längst Musik von gestern, haben die allermeisten ihre Legionen von Liedern ohnehin schon am Smartphone oder in einer Cloud gebunkert. Statt 20 oder 25 Liedern auf einer Musikkassette (wie wohlig retro dieses Wort klingt!) sind heute auf einen Schlag 20.000 Titel abgespeichert: Die einstige Fokussierung wich einer dann doch irgendwie nach Beliebigkeit riechenden Flutwelle von Downloads oder dem Streaming-Automatismus.

Der 2011 im 82. Lebensjahr verstorbene Sony-Chef NoriaOhga gilt als Schöpfer des kompakten Abspulers – er setzte den Wunsch von Firmenmitgründer MasaruIbuka nach einem portablen Gerät für Reisen kongenial um. Ein paar Jahre später war Ohga dann nochmals Visionär: Um Beethovens Neunte Symphonie endlich am Stück anhören zu können, ohne das Medium zu wechseln oder umzudrehen, ließ er eine kleine silberne Scheibe entwickeln, auf der Musik digital verewigt wurde.

Und auch der Discman, der Nachfolger des Walkman, ist mittlerweile ein Anachronismus auf der Schutthalde der Erinnerung. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.