Ein tragischer Schatten liegt über Walter Kratners Skulptur "Lampedusa" in der Grazer Kunsthalle. Nicht nur weil der Künstler knapp vor der Eröffnung der heurigen Ausgabe der Reihe "Part of the Game" verstorben ist. Mithilfe von Bildaufnahmen hat man versucht, Kratners Vorstellung seines Metallboots zu rekonstruieren. Das Werk war seit 2015, als es bei der Weizer Pfingstvision gezeigt worden war, diversen Veränderungen unterworfen. Es ist ein fragmentiertes Bootsgerippe, dessen Gestalt an die Fluchtkatastrophen im Mittelmeer erinnert und das durch die Integration von schweren Nägeln, Haltegriffen und einer mumifizierten Ratte einen weiten Assoziationsraum zwischen afrikanischer Kunst und fremden Kult, Memento mori und nackter Verzweiflung eröffnet. Bis 5. Mai ist "Lampedusa" aufgebaut, die Finissage um 18 Uhr ist zugleich eine Gedenkveranstaltung für den verstorbenen Künstler.

"Lampedusa" ist der erste Teil der Reihe "Part of the Game", bei der Kunsthalle-Betreiber Arnold Reinisch auch 2023 die Werke von vier Künstlerinnen und Künstlern gegenüberstellt. Im aktuellen Fall ist "Lampedusa" mit Gemälden der Grazer Künstlerin Nadine Nebel konfrontiert. Sie nimmt Selfies auf, um sie in pastelligen Tönen auf Leinwand zu übertragen. "Selbstkonzept" nennen sich die oft verzerrten und fragmentierten Porträts, die schon deshalb formal unheimlich gut zu Walter Kratners Boot passen. Verzerrungen und Fragmente fungierten in der Kunsthistorie häufig als Seelenspiegel, in Nebels Fall sind sie Produkte jener Gelegenheitsaufnahmen mit dem Handy, wie sie derzeit täglich millionenfach entstehen – die Technik wird gleichsam zur Quelle zerstörter Selbstbilder. Auf inhaltlicher Ebene ist der Kontrast zwischen Flüchtlingsboot und Selfiekult sozusagen zum Abbild der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, von Archaik und Dekadenz, Tod und Ennui.

Part of the Game 2023läuft noch bis 16. Juni. Walter Kratners "Lampedusa" bis 5. Mai. Nadine Nebels "Selbstkonzept" bis 19. Mai, danach folgen Werke von Max Gansberger (9. 5. bis 2. 6.) sowie Peter Garmusch (ab 23. 5). Kunsthalle Graz, Conrad-von-Hötzendorf-Straße  42a. Dienstag bis Freitag. kunsthallegraz.at