Jö schau, so viele Bücher könnte mancher entzückt ausrufen. Und tatsächlich ist der deutsche Fotograf Andreas Gursky dafür bekannt, dass seine Fotografien oft mehr wie Gemälde wirken. Ein Meer aus Büchern, was so romantisch klingt, nennt der Fotograf selbst „kein schönes Bild, sondern ein erschreckendes“. Es ist der Überfluss einer Konsumgesellschaft, den Gursky hier abbildet: ein Warenlager von Amazon. Bücher in Reih und Glied stehend, die wie Soldaten auf ihren Abmarschbefehl warten. Auslieferung? Prompt! Dabei ist die Ausstellung „Climate Care. Stellen wir uns vor, unser Planet hat Zukunft“ im Wiener MAK eigentlich keine Ode an Weltuntergang, sondern an die Hoffnung.

Impusant und gruselig: Amazon-Warenlager von Andreas Gursky
Impusant und gruselig: Amazon-Warenlager von Andreas Gursky © LUX/MAK

Und doch will man bei den rund 150 Projekten der sehr dichten Ausstellung auch nichts schönreden: also zurück zu Amazon. Gottfried Haider, österreichischer Wahlkalifornier in Los Angeles, hat nicht nur fein säuberlich die Luftpolster aus den Amazon-Paketen gesammelt und in Kunstharz gegossen, sondern die Inhaltsluft, die eben jene aus den Warenlagern ist, analysieren lassen: Es ist so ziemlich das Gegenteil von gesunder Waldluft.

Luft aus dem Amazon-Warenlager: "Amazon Air" von Gottfried Haider
Luft aus dem Amazon-Warenlager: "Amazon Air" von Gottfried Haider © LUX/MAK

Zum vierten Mal hat der Ende August scheidende MAK-ChefChristoph Thun-Hohenstein zur „Vienna Biennale for Change“ geladen, in der sich neben dem MAK Institutionen wie das Wiener Kunsthaus, die Universität für angewandte Kunst, der Kunsthalle und dem Architekturzentrum Wien in unterschiedlichsten Projekten mit der „Klima-Moderne“ auseinandersetzen. Seit Mai und noch bis Oktober läuft die Ausstellung, die durch den am Montag veröffentlichten Bericht des Weltklimarates wohl die Schau der Stunde ist. Nicht, dass die Problematik neu wäre, wie auch Thun-Hohenstein zu Beginn der Biennale anmerkte: „Die Klimafrage ist noch nicht ausreichend in den Köpfen und den Herzen der Menschen angekommen.“ Die Ausstellung, die vor allem auch wissenschaftliche Pilotprojekte in den Fokus rückt, versteht sich als Rüstzeug für das, was da noch kommen wird: „Es geht um ein Zukunfts-Mindset, das manche schon haben, manche aber noch nicht“, erklärt der MAK-Chef.

Die beeindruckendste Position ist unbestritten „Invocation for Hope“ von Superflux. Eine Installation auf über 400 Quadratmetern: Ein wuchernder Waldhain, umgeben von 400 Bäumen, die bei einem Waldbrand in Niederösterreich in Mitleidenschaft gezogen wurden. Eine Installation, die bei aller Dramatik Hoffnung verbreiten soll, so das anglo-indische Design- und Kunststudio: „Der Klimawandel ist kein Problem, das wir ‘lösen’ können, sondern ein Dilemma, das wir mit Verantwortung und Nachdruck steuern müssen.“ Dazu gehöre auch, dass sich der Mensch als Teil der Natur begreife. Diese Diskrepanz und Berührungsangst zeigt sich auch hier vor Ort, wenn Besucher wie scheue Rehe zögerlich die Installation betreten. Inmitten der mystischen Landschaft blickt man narzisshaft in eine Projektion, die jedoch nicht Mensch, sondern Natur zeigt. Im Vergleich zur Horrorstory Realität wirkt das wie ein Sommernachtstraum.