Vielleicht sollte man mit dem allerletzten Raum der Ausstellung beginnen: „Why do you only paint black people?“ („Warum malst du nur Schwarze Menschen?“), steht da geschrieben. Das künstlerische Werk von Amoako Boafo ist nicht weniger als eine Antwort mit dreifachem Ausrufezeichen auf diese Frage. Viel zu oft wurde sie dem 1984 in Accra (Ghana) Geborenen während seiner Zeit in Wien, er studierte von 2014 bis 2019 hier, gestellt. Rund 50 seiner großformatigen Porträts sind noch bis 12. Jänner im Unteren Belvedere zu sehen. Eine historische Ausstellung war mancherorts zu hören und das thematisiert den eurozentristisch-kolonialistischen Blick, mit dem die Kunst über Jahrhunderte Schwarze Menschen in demütigende Rollen gepresst hat, aber auch die nicht vorhandene Repräsentation der Black Community in den Museumstempeln. All das macht die Schau von Boafo auch sichtbar.
Amoako Boafo hat in den letzten Jahren in der internationalen Kunstszene eine Shootingstar-Karriere hingelegt. Seine Gemälde wurden vom Guggenheim-Museum ebenso angekauft, wie vom Centre Pompidou und anderen großen Häusern. Viele Gemälde der Ausstellung sind längst Teil von Privatsammlungen. In ihrer Gesamtheit ergeben die Porträts einen individuellen, vielstimmigen Chor der Black Community. Dass die Ausstellung auch den Titel „Proper Love“ trägt, kommt also nicht von ungefähr. Es sind unter anderem auch Freunde und Bekannte, die der Künstler porträtiert und das nicht zwingend in einem Atelier, bisweilen sind es Fotografien und nicht selten Instagram-Postings, die er als Vorlage benutzt.
Es ist vor allem auch seine Maltechnik, die den Porträts Lebendigkeit, Tiefe und Strahlkraft verleiht: Mit seinen Fingern modelliert er beinahe die Gesichter, Hände, Arme und manchmal ganze Körper. Diese Pastosität steht im Kontrast zu den intensiven, farbig-flächigen Hintergründen und zur zum Teil prächtig gemusterten Kleidung seiner Protagonisten. Boafos Beschäftigung mit der Wiener Moderne ist vielfach augenscheinlich: In den Selbstporträts spiegelt sich auch jene Sichtbarmachung der eigenen Verletzlichkeit wider, die man von Schiele kennt. In einem Ausstellungsraum spannt man direkt Porträts von Amoako Boafo mit Porträts von Gustav Klimt zusammen. Der frontale Blick der Porträtierten, ausdrucksstark, selbstbewusst. Wiener Frauen, die ein bisschen mehr als 100 Jahre trennen. Die Beschäftigung mit dem Ornament, die schlägt sich bei Boafo unter anderem in Collagen nieder, die er bisweilen zur Ausgestaltung der Kleidung der Porträtierten nutzt. Wie überhaupt die Mode als individuelles Ausdrucksmittel seiner Protagonistinnen und Protagonisten eine zentrale Rolle in den Porträts spielt.
Ausgewählte Arbeiten sind auch im Oberen Belvedere zu sehen, wo sich etwa „Sunflower Field“ von Boafo mit dem üppigen „Bauerngarten mit Sonnenblumen“ (1906) von Gustav Klimt matcht. Mit noch einem gesellschaftspolitischen Thema, das sich latent in Verhandlung befindet, setzt sich der Künstler auseinander: männliche Stereotype, patriarchale Denkansätze und Prägungen. Dieser Welt hat er selbstbewusst einen Gegenentwurf zu bieten.