Es ist ein bisschen so wie mit Superheldinnen im Kino: Es hätte uns geprägt, wenn wir schon vor 30 Jahren gezeigt bekommen hätten, dass nicht nur Männer die Welt retten können. Und: Wären wir schon als Schulkinder in eine Steiermark-Schau wie jene im mobilen Pavillon (den Alexander Kada gestaltet hat) geschleppt worden, hätten wir das Land und dessen Kunst-Landschaft wohl ganz anders wahrgenommen. Die von Astrid Kury kuratierte Schau „wer wir sind“ ist eine aufregende, atmosphärisch dichte, optisch opulente und lehrreiche Erfahrung. Eine, die auf Überwältigung setzt, die mit digitalen Bildern, Soundlandschaften und Lichtdesign spektakulär spielt, die Schattenseiten der Vergangenheit und Gegenwart nicht ausblendet, auf Heroisierung verzichtet und niederschwellig arrangiert für den Familienausflug taugt. So haben Sie die offizielle Steiermark noch nie gesehen! Online-Sichtung gibt es hier.

Der Pavillon ergänzt die Schau, deren anderen drei Teile ab 8. April in Graz gezeigt werden, um ein mobiles Element, das quer durch die Regionen zieht. "Was war" zeigt das Museum für Geschichte, "was ist" das Volkskundemuseum, "was sein wird" das Kunsthaus Graz. Der Pavillon widmet sich dem "wer wird sind": In Hartberg, Spielberg, Schladming und Bad Radkersberg wird die mobile, 800 Quadratmeter große Ausstellungsfläche bis zum 31. Oktober noch Station machen.

Die in Wien nun bis 18. April verlängerte "Osterruhe" hat dafür gesorgt, dass der Auftakt der Landvermessung mit den Mitteln der jungen zeitgenössischen Kunst und der künstlerischen Forschung am Heldenplatz abgesagt worden ist. Man überlege vage, so Kulturlandesrat Christopher Drexler, ob es eventuell ein Comeback in Wien gebe. Eines steht für ihn aber fest: „Das ist der Auftakt für eine künftig stärkere, steirische kulturelle Präsenz in der Bundeshauptstadt." Den Titel "wer wir sind", erklärte Kada, wolle man "nicht als Feststellung einer Identität sehen, sondern als das Ergebnis einer Untersuchung der Identität" begreifen.

Herzstück ist die kegelförmig arrangierte Panoramaleinwand, auf der Landschaften, Erinnerungen, Statements und geografische Tiefenbohrungen in einem 90-Minuten-Durchlauf in 24 Beiträgen vorbeiziehen. Michael Goldgruber zeigt einen Fichtenwald wie eine antike Säulenhalle, Siegfried A. Fruhauf und Anna Katharina Laggner inszenieren in ihrer poetischen Video- und Klanginstallation "Nebelreißen" den Winterwald der Rannach und diverse Ängste und Ahnungen, die wir darauf projizieren.

Susanne Miggitsch porträtiert die anwachsende Wasseroberfläche der Mur mit eindringlichen 16mm-Schwarz-Weiß-Aufnahmen und Lea Titz und Helwig Brunner rücken in "Steinb(r)uch" die Rückeroberung der Ruderalpflanzen und andere betörende Spuren im Steinbruch bei Wildon in den Fokus. Das Duo zweintopf (Eva und Gerhard Pichler) beackert im schwindelerregenden Projekt "Geschäftsfelder" 1500 Fotos von Geschäftsportalen aus der ganzen Steiermark und arrangiert sie neu. Wie in einem Wimmelbuch wähnt man sich bei der Suche nach bekannten Fassaden.

Kulturlandesrat Christopher Drexler, Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz, Architekt Alexander Kada
Kulturlandesrat Christopher Drexler, Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz, Architekt Alexander Kada © Christoph Kleinsasser

Die bedrückendste Arbeit stammt vom Fotografen Christoph Grill. In "Kontaminierte Landschaften" porträtiert er Orte des Schreckens wie die Umgebung der KZ-Außenlager Peggau, Bretstein, Eisenerz oder der Gedenkstätte Leopoldsteiner See. Die meisten der Künstlerinnen und Künstler haben zum ersten Mal mit so großflächigen Projektionen gearbeitet. "Inhalt und Form wurden dabei gemeinsam gedacht", erklärt Kury.

Die animierten Wissenstafeln vermitteln spannende Fakten zu Blitzeinschlägen, Mehrsprachigkeit oder Orts- und Flurnamen - sie sind digital abrufbar. Und: Es gibt auch eine Aussichtsplattform, in der man auf die Arbeiten herunterschauen kann. Egal, ob man sich der Schau von unten, oben oder vorne nähert - eines bleibt unumstritten: Schauen Sie sich das bitte an!