Das war längst überfällig: John Eliot Gardiner, einer der größten Monteverdi-Interpreten überhaupt, legt endlich auch die Odysseus-Oper auf Tonträger vor. Es ist eine Einspielung von höchstem Rang, streng, mit vor Emotion brennenden Stimmen. MG
Monteverdi. Il ritorno d’Ulisse in Patria. Solo Deo Gloria.

Die französische Geigerin Amandine Beyer und ihr Kammerorchester Gli Incogniti machen mit feinsinnigen Aufnahmen auf drei Streicherkonzerte Joseph Haydns aufmerksam. Es ist erstaunlich, wie viele unbekannte Seiten des Klassik-Titanen es noch immer gibt. MG
Haydn.Concerti per Esterházy. harmonia mundi.

Dirigent René Jacobs hat Mozarts Operntrilogie „Figaro“, „Don Giovanni“ und „Così fan tutte“ beispielhaft interpretiert. Leidenschaft und Akribie zeichnen diese ungemein theatralischen Aufnahmen aus, die es jetzt gesammelt zum Sonderpreis gibt. MG
Mozart Operas.The Da Ponte Trilogy. harmonia mundi.

Ein voller Klang und Feingefühl kennzeichnen die Brahms-Deutungen von Daniel Barenboim. Mit seiner Staatskapelle Berlin hat der Dirigent die vier Symphonien in gedehnten Tempi eingespielt, die Zeit lassen, jedes Detail bewundernd zu betrachten. MG
Brahms.The Symphonies. Deutsche Grammophon.

Der genialische Student Leonard Bernstein arbeitete sich originell an traditionellen Formen der Kammermusik ab und kehrte später fallweise zurück zu diesem Genre. Hier ist auf drei CDs die Klavier- und Kammermusik des amerikanischen Freigeists versammelt. MG
Leonard Bernstein.Piano & Chamber Music. Avi-music.

Der Titel des Albums erzählt alles: 1983 setzt sich Prince ans Klavier, um einige Demoversionen aufzunehmen. Jazz, Blues, Gospel, Soul, Funk auf engstem Raum, nackt, unverstellt. Eine Performance, die in ihrer Beiläufigkeit und Intensität überwältigend ist. MG
Prince. Piano & a Microphone, 1983. Warner.

Die Weisheit und Erfahrung eines Musikerlebens legt der 63-jährige Cellist Yo-Yo Ma in seine Neueinspielung der Solowerke Bachs. Tänzerisch, nobel, anmutig und alle Übertreibungen meidend, doch in jedem Takt lebendig und von höchster Musikalität. MG
Yo-Yo Ma. Six Evolutions. Bachs Cellosuiten. Sony.

Was die Sons of Kemet von der britischen Monarchie halten, bringt schon der Albumtitel zum Ausdruck. Wie man Jazz und Politik eng führt, zeigt die Band aus London auf diesem vibrierenden Meisterwerk. Kamasi Washington für Fortgeschrittene. MG
Sons of Kemet. Your Queen Is a Reptile. Impulse.

Zum Durchhören bräuchten wir ja bis nächste Weihnachten. Aber dieser imposante Koloss zu Bachs 333. Geburtstag sei allein wegen der editorischen Leistung empfohlen: 222 CDs, 1 DVD, 750 Künstler und 16.926 Minuten (= 12 Tage) Musik. Um 430 Euro. TSC
Bach 333.Gesamtaufnahme. Deutsche Grammophon.

Valer Sabadus, Jake Arditti & Co: Die Liste junger Counter ist so lang wie imposant. Breakdancer im Zweitberuf war bisher keiner
darunter. Aber es gibt ja den in New York ausgebildeten Polen, der stimmlich virtuos durch den neapolitanischen Frühbarock tanzt. TSC
Jakub Jósef Orlinski.Anima Sacra. Erato.

Schuberts „Leiermann“ mit Cello und Gitarre? Ja, die Deutsche Anja Lechner und der Argentinier Pablo Márquez schicken ihn so auf Winterreise. Auch in der Arpeggione-Sonate oder in zarten Nocturnes des Romantikers wirkt die ungewöhnliche Besetzung stimmig. Sehr sinnlich. TSC
Anja Lechner.Die Nacht. ECM.

Zwei Querköpfe haben es Friedrich Kleinhapl angetan: Begleitet vom Wiener Concert Verein, lässt er sein Cello in Dmitri Schostakowitschs ironischen Suiten (1934) wie in Friedrich Guldas spöttischem Konzert (1980) köstlich tanzen, jazzen, kratzen, blühen. TSC
Friedrich Kleinhapl.Gulda meets Shostakovich. Ars.

Im September konnte Keith Jarrett bei der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk wegen seines wieder aufgeflammten Nervenleidens nicht entgegennehmen. Als Trost gibt es ein Doppelalbum, aufgenommen 2006 im Teatro La Fenice. Reif, vital, emotional. TSC
Keith Jarrett.La Fenice. ECM.

Zehn Jahre kannten sie sich von Auftritten, dann gründeten die beiden Deutschen die „kleinste Band der Welt“ und gingen „nackt“ ins Studio: Trompeter Till Brönner und Bassist Dieter Ilg glückten spontan lyrische Momente von hoher Symbiose und Dichte. TSC
Till Brönner & Dieter Ilg.Nightfall. Masterworks.

80 Jahre, und so jung! Saxophonist Charles Lloyd, meisterhafter Wanderer zwischen Jazz, Rock und Folk, legt mit seiner Band The Marvels und der famosen Countrysängerin Lucinda Williams von Monk über Hendrix bis zu Eigenem tiefe, faszinierende Spuren. TSC
Charles Lloyd.Vanished Gardens. Blue Note.

Erst I. Dann II. Dann III. Dann IV. Dann steht das Christkind immer noch nicht vor der Tür, denn der schwedische Posaunist und Sänger Nils Landgren lädt seit 2006 regelmäßig Kollegen zum Vorfeiern ins Studio. Dann V, jetzt VI: und wieder mit Glanzlichtern. Sehr warm! TSC
Nils Landgren.Christmas with My Friends VI. ACT.

Der kubanische Pianist Aruán Ortiz und US-Klarinettist Don Byron sind tief in eine Reihe funkelnder bis archaischer Interaktionen und magischer Zwischenräume involviert, die so abstrakt wie anmutig in ihrer sanften Komplexität sind. OK
Don Byron/Aruán Ortiz.Random Dances and (A)Tonalities. Intakt.

Da geht ein Japaner her und macht ECM-Musik, die bislang den Skandinaviern vorbehalten schien. Mit dabei Saxophonist Matthieu Bordenave, der sicher schon etwas von Charles Lloyd gehört hat. Lyrisch versunken, berauschend großer Sound, zum Träumen. OK
Shinya Fukumori Trio.For 2 Akis. ECM.

Überraschung des Jahres: die Entdeckung von John Coltranes „Lost Album“ von 1963. Nun reicht man eine Box mit allen Aufnahmen aus diesem entscheidenden Jahr nach. Darunter die ausgefallene Begegnung des Saxophonisten mit Sänger Johnny Hartman. Echt gut! OK
John Coltrane.1963: New Directions. impulse! (3 CDs).

So klingt nur er. Auch mit 66 lässt John Scofield nichts anbrennen zwischen funkigem Jazz mit Southern Touch und Blues. Die rotzige Orgel Gerald Claytons bereichert die neue Band des stilbildenden Gitarristen und zweifachen Grammy-Gewinners. Durchwegs bissig. OK
John Scofield.Combo 66. Verve.

Neues von Geheimtipp Noah Preminger: raue Tracks, flammende Virtuosität und herzhafte Authentizität prägen das expressive Evangelium des US-Tenorsaxophonisten, wobei er und der kühne Trompeter Jason Palmer sich bisweilen gegenseitig jagen. Aufregend. OK
Noah Preminger.
Genuinity. Criss Cross.

Auch wenn Bassist Georg Breinschmid und Trompeter Thomas Gansch nicht wirklich einen roten Faden spannen, ist dieser Live-Mitschnitt aus dem Wiener Konzerthaus ein Vergnügen. Virtuoser Unernst mit vielen echten Stilblüten und musikalischer Güte. OK
Georg Breinschmid & Thomas Gansch.bransch. BreinMUSIC.

Zaghaft langsam bis moderat, aber originell als Hommage an den Blues angelegt, präsentiert sich der Schweizer Posaunist Samuel Blaser in edler, mit den Gästen Oliver Lake (Sax) und Wallace Roney (Trompete) verzierter Besetzung. Spannend, sinnlich, verführerisch. OK
Samuel Blaser.Early in the Morning. Out Note.

Die Klasse des Ex-Lead-Gitarristen der Indie-Rockband Wilco hat sich endgültig im Jazz etabliert. Das neue Quartett von Nels Cline baut auf dem extravaganten Duo mit dem Gitarristen Julian Lage. Kurvenreich und lebhaft, aber ohne Akrobatik. Und bisweilen urcool. OK
Nels Cline 4. currents, constellations. Blue Note.